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Ein unkonventioneller Weg zur Bekämpfung von Steuervermeidung von Großkonzernen war 2012 in Großbritannien zu beobachten: Als das Ausmaß an Steuervermeidung der Kaffeehauskette Starbucks publik wurde, besetzten Bürger Filialen und riefen zum Boykott auf.

Foto: Apa/Dpa/Sebastian Widmann

Wien - Wer Geld hat, muss mitunter weniger Steuern zahlen: Off-Shore-Konstrukte verhelfen internationalen Großkonzernen wie Amazon, Starbucks oder Google bei der Einlösung dieser paradoxen Formel. In den Campus Lectures des Studiengangs Tax Management der FH Campus Wien beleuchtete Studiengangsleiter und Großbetriebsprüfer Roland Macho vergangene Woche den Kampf gegen Lücken im Steuerrecht. Registrierkassenpflicht und Bankgeheimnis werden in Österreich rege diskutiert. Immerhin soll der Kampf gegen Steuerbetrug fast zwei Milliarden Euro einbringen und so die Steuerreform mitfinanzieren. Ob dieser Betrag tatsächlich erreicht werden kann, darin wurden sich der Steuerberater Gottfried Schellmann, der Leiter der Abteilung für Betrugsbekämpfung im Finanzministerium, Herwig Heller, und Macho nicht einig.

Der genaue Betrag spielt für Macho ohnehin eine untergeordnete Rolle. Jeder Fall sei wichtig: "Aus den Zahlen in einzelnen Prüfungsfällen sehe ich, dass Millionenzahlungen in Steueroasen eingehen." Nach einer Studie des Tax Justice Network liegen zwischen 21 und 30 Billionen US-Dollar an Barvermögen in steuergünstigen Staaten geparkt. Dabei bewegen sich internationale Großbetriebe auf dem schmalen Grad zwischen illegaler Steuerumgehung und legaler Steuervermeidung. Mit Tochtergesellschaften und Konstrukten manövrieren sie sich geschickt durch Gesetze und internationale Abkommen hin zum optimalen Ergebnis. "Ich habe in 30 Jahren Berufserfahrung noch nie eine Gesellschaft in Steueroasen gesehen, in der Verluste gelandet sind", sagt Macho.

Europäische Steueroasen

Auch Europa hat Steueroasen. Firmen verlagern häufig das Markenrecht nach Malta oder gründen eine Gesellschaft auf Zypern. Auch die Niederlande, Belgien, Luxemburg und Irland begegnen dem Großbetriebsprüfer häufiger als andere Staaten.

Laut Macho spielen sogenannte Cash-Pools sowie Dienstleistungen und der Transfer von immateriellen Gütern eine Rolle: "Ich kenne Firmen, die 250 Milliarden Dollar in einer Cash-Pooling-Firma auf den Bahamas liegen haben, während bei uns das Eigenkapital gegen null geht." Cash-Pools dienen dazu, über eine Art firmeninterner Kreditvergabe und die damit entstehenden Zinsen, Gewinne von Hochsteuerländern in Steueroasen zu verschieben.

Dabei hilft eine Riege an Dienstleistern, die in den vergangenen Jahrzehnten aus dem Boden geschossen ist. In Österreich kommt nach Machos Schätzungen ein Großbetriebsprüfer auf zehn Steuerberater. "Und immer öfter sitzt man im Verfahren auch Rechtsanwälten gegenüber, die Verfahrensfehler suchen." Um letztlich einen Betrug aufzudecken, spielt der Ort der Geschäftsleitung eine Hauptrolle. Wer auf dem Papier als Verantwortlicher angeführt wird, ist Nebensache.

Trotz internationaler Bemühungen wird Steuerumgehung zunehmend einfacher. Die OECD-Studie "Base Erosion and Profit Shifting" präsentiert auf 2500 Seiten, wie aggressiver Steuerplanung begegnet werden könnte. Doch kaum ist eine Lücke geflickt, tut sich die nächste auf. Genauso wie Steuerprüfer überlegen auch Steuerberater internationaler Firmen, was der Wortlaut für sie bedeutet - und was auf den 2500 Seiten nicht zu finden ist. "Und das ist unendlich viel", sagt Macho.

Ein Beispiel dafür ist das 2014 geschaffene Abzugsverbot für konzerninterne Zins- und Lizenzzahlungen im Körperschaftssteuergesetz. Österreich kam darin den Überlegungen der OECD sogar zuvor. Die Beraterbranche reagierte zeitnah und fand Umgehungen. So kommt es, dass dem Großbetriebsprüfer bisher kein Fall untergekommen ist, bei dem das Gesetz Anwendung fand.

Angesichts der rechtlichen Schwierigkeiten werden Alternativen angedacht. Modelle der Wirtschaftspsychologie sehen neben Bestrafung auch Anreize und ein vertrauensvolles Klima als Möglichkeiten, mehr Geld in die Staatskasse zu bringen.

Einen anderen Weg konnte man 2012 in Großbritannien beobachten, wo die Zivilgesellschaft die Kaffeehauskette Starbucks in Bedrängnis brachte. Nachdem das Ausmaß an Steuervermeidung in einer parlamentarischen Untersuchung bekannt wurde, besetzten Bürger Filialen und riefen zum Boykott auf. "Steuervermeidung wird man nur bremsen können, indem Konzernen bewusst wird, dass Image eine große Rolle spielt", sagt Macho. Letztlich bestimme der Konsument, ob er Versandhändler oder Kaffeehausketten unterstützt, die den Staat nicht durch Steuern mittragen. (Marlis Stubenvoll, DER STANDARD, 10.6.2015)