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Ministerpräsident Alexis Tsipras - häufig gut gelaunt. Vielen Finanzministern trübt er mittlerweile die Stimmung.

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Finanminister Yanis Varoufakis, referierte am Montag Abend auf Einladung der gewerkschaftsnahen Hans Böckler Stiftung.

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Wien/Athen/Brüssel/Berlin – Neuer Tag, neues Gezerre: Auch kurz vor dem geplanten Spitzentreffen in Brüssel ringen Griechenland und seine Gläubiger noch immer um eine Lösung des Schuldenstreits. Die am Dienstag gemachten Reformvorschläge reichten für eine Einigung nicht aus, sagten mehrere EU-Vertreter der Nachrichtenagentur Reuters. Die Griechen hätten die "Komplexität" der Aufgabe unterschätzt, sagte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem.

Aus Athen hieß es am Mittwochvormittag, man warte noch auf eine Reaktion der Gläubiger auf die Reformliste. "Die Vorschläge wurden am Montagabend an EU-Kommissar Pierre Moscovici übermittelt. Bislang erhielt die griechische Vertretung in Brüssel weder einen Kommentar noch eine Reaktion dazu", sagte ein Regierungsvertreter.

Treffen am Abend?

Einem anderen Insider zufolge will die Regierung in Athen die Differenzen mit den internationalen Geldgebern aber soweit minimieren, dass Ministerpräsident Alexis Tsipras bei seinem anvisierten Treffen mit Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande am Mittwoch einen Kompromiss erzielen kann. Die Suche nach einer Lösung der Griechenland-Krise geht ja heute auf Spitzenebene weiter. Das Treffen soll am Abend am Rande des EU-Lateinamerika-Gipfels in Brüssel stattfinden.

Derzeit ist aber noch unklar, ob das Treffen überhaupt stattfinden wird. "Es ist kein Treffen geplant bisher", sagte ein Insider aus dem Umfeld der französischen Regierung am Mittwoch. "Wir werden sehen, was passiert, wenn wir vor Ort sind." Aus EU-Kreisen verlautete bislang, nur wenn es weitere Bewegung gebe, sei ein Treffen sinnvoll.

Tsipras warnte in einem Interview vor gewaltigen Kosten für die europäischen Steuerzahler, wenn die Verhandlungen scheitern sollten. Einmal mehr warnte er davor, dass ein Scheitern der Verhandlungen der Anfang vom Ende der Euro-Zone sei. "Wenn Griechenland scheitert, werden die Märkte sofort nach dem Nächsten Ausschau halten. Wenn die Verhandlungen scheitern, werden die Kosten für die europäischen Steuerzahler gewaltig sein."

Politiker genervt

Der Streit zerrt offensichtlich jeden Tag mehr an den Nerven der Politiker: "Bei einigen Finanzministern geht die Geduld mit Griechenland zu Ende", sagte der finnische Ressortchef Alexander Stubb bei einer Veranstaltung mit seinem deutschen Kollegen Wolfgang Schäuble in Berlin.

Auch Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) klingt zunehmend missmutig. Die Geldgeber seien Griechenland in hohem Maße entgegengekommen, und es gebe ein "klares Reformpapier", sagt er. Nun sei die Rede von einem eventuellen neuen griechischen Reformpapier – man werde sehen, was dabei herauskomme. "Es scheint so zu sein, dass hier hoch gepokert wird", warnt Schelling. "Aber beim Pokern kann man auch verlieren."

Faymann will kein Besserwisser sein

Milder gestimmt bleibt Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ). Er will bei seiner Reise nach Griechenland nächste Woche nicht als "Besserwisser" auftreten, sondern der dortigen Regierung Unterstützung signalisieren. Das Land brauche eine "mittelfristige Lösung", sagte er am Dienstag nach dem Ministerrat. Faymann wird ja nächste Woche seinen schon länger angekündigten Besuch beim griechischen Premier Alexis Tsipras absolvieren. Ihm gehe es darum, einen "gemeinsamen europäischen Weg" zu finden und nicht zu riskieren, dass ein Land aus der Eurozone falle. Über den Sommer sei eine gute Zeit, die Gespräche zu "intensivieren" und eine "mittelfristige Lösung" zu finden. Ein "Plan für fünf Jahre" wäre eine gute Idee, bekräftigte der Kanzler, der in diesem Zusammenhang auch schon einen Zahlungsaufschub für Athen ins Spiel gebracht hatte.

Tatsächlich traf ein neues Reformangebot der griechischen Regierung am Dienstagmorgen in Brüssel ein. Ein Sprecher der EU-Kommission sagte, die Vorschläge würden nun sorgfältig von den Institutionen – also dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der Europäischen Zentralbank (EZB) und der EU-Kommission – geprüft.

Rentenreform ungelöst

Wie sich ein Kompromiss ausmachen könnte, ist offen. Nach Angaben eines mit der Sache Vertrauten aus der EU dürften die Vorschläge für die anderen Euro-Länder kaum akzeptabel sein. So werde keine Lösung für den Streit über eine von den Gläubigern geforderte Rentenreform gemacht. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem bekräftigte, das griechische Rentensystem müsse modernisiert werden. Einem Insider zufolge will Athen die Vorschläge noch einmal überarbeiten.

Ein Vertreter der griechischen Regierung hatte zuvor erklärt, mit den neuen Plänen solle eine Einigung bei den Haushaltszielen und Schuldenerleichterungen erzielt werden. Tsipras zeigte sich in der italienischen Zeitung "Corriere della Sera" in anderen Punkten allerdings unnachgiebig. So sei eine Einigung nur möglich, wenn die Gläubiger ihre Forderungen nach Rentenkürzungen fallenließen. Griechenland könne mit keinem Programm weitermachen, das eindeutig versagt habe. Töne, die sich seit Tagen nicht ändern.

Beim Thema Primärüberschuss – also dem Staatshaushalt ohne den Schuldendienst – sei man sehr nah an einer Vereinbarung, ergänzte der Chef der Syriza-Partei. Am frühen Abend verlautete aus mit den Verhandlungen vertrauten EU-Kreisen, Athen wolle für dieses Jahr einen Primärüberschuss (Haushaltssaldo ohne Schuldendienst) von 0,75 Prozent anbieten. Das hielten die Gläubiger für nicht hinnehmbar, sie verlangten mindestens ein Prozent Plus. EU-Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis sagte in Straßburg, der Primärüberschuss und die Mehrwertsteuerreform seien Kernpunkte, die noch gelöst werden müssten.

Teil ihrer "Vorschläge" sei aber auch ein Plan "für einen realistischen Umgang mit den griechischen Schulden", verlautete aus der griechischen Regierung. Der Forderung nach einem Schuldenerlass oder nach Finanzhilfe über die noch ausstehenden 7,2 Milliarden Euro hinaus lehnte Dijsselbloem aber rundherum ab. "Es steht außer Frage, dass die anderen Länder mehr Geld auf den Tisch legen", sagte er dem niederländischen Sender RTL.

Bombenalarm in Brüssels Europaviertel

Am Vorabend des EU-Lateinamerika-Gipfels hat eine Bombendrohung den Verkehr im Brüsseler Europaviertel vorübergehend zum Erliegen gebracht. In einem verdächtigen Auto auf einem Parkplatz des Europäischen Rates sei aber kein Sprengstoff gefunden worden, teilte die Staatsanwaltschaft nach Angaben der belgischen Nachrichtenagentur Belga am Dienstagabend mit. An dem Treffen nehmen Staats- und Regierungschefs aus 40 lateinamerikanischen und EU-Ländern teil. (APA, red, 10.6.2015)