In Sarajevo geborener Kroate: Miljenko Jergovic.

Foto: Ivan Posavec

Der Kroate Miljenko Jergovic ist 1966 in Sarajevo geboren, zu einer Zeit, als in der bosnischen Stadt Muslime, Serben und Kroaten noch Nachbarn waren. Erst später wurden aus Nachbarn erbitterte Feinde. Mit seinem neuen Roman Vater (Schöffling & Co 2015) taucht Jergovic nun in die Abgründe seiner Familiengeschichte ein und gibt gleichzeitig Einblicke in die verworrene und hassdurchzogene Geschichte seiner Heimat.

Am Beginn des Romans steht die Nachricht vom Tod seines ihm nahezu unbekannten Vaters, eines angesehenen Arztes, der sich - ungeachtet der ethnischen Zugehörigkeit - aufopfernd für jeden Patienten eingesetzt hatte. Damals offenbar keine Selbstverständlichkeit. Zumal einst dem Vater selbst von der eigenen Mutter dringend benötigte Hilfe schlicht verweigert wurde.

Der Grund: Während des Zweiten Weltkriegs war sie fanatische Ustascha-Anhängerin; er hatte hingegen für Titos Partisanen die faschistische Ustascha bekämpft. Für die Mutter derart unverzeihlich, dass sie sich ihres Sohnes, als der später an Typhus erkrankte, nicht annahm.

Während der Jugoslawienkriege schreibt Jergovic in Sarajevo gegen Chauvinismus und Kriegshetze an und macht sich so viele Feinde. Tudjmans Kroaten nennen ihn einen Serben. Um sich der Lebensgefahr zu entziehen, flieht er nach Zagreb. Und obwohl seine Eltern Kroaten sind, muss sich der Atheist erst taufen lassen, um auch in Kroatien als Kroate zu gelten.

Vater ist sowohl berührendes Dokument persönlicher Erinnerungen als auch dringliches Plädoyer für Toleranz und Verständigung zwischen verfeindeten Lagern. Am Donnerstag liest Jergovic im Literaturhaus am Inn. (Dorothea Nikolussi-Salzer, 9.6.2015)