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Sonja Ablinger: "Die FPÖ produziert ein Klima, das die Gesellschaft spaltet und Hass aufeinander erzeugt."

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STANDARD: Wie fühlt es sich an, nach 30 Jahren nicht mehr Mitglied der SPÖ zu sein?

Ablinger: Es ist schwer, aber es wäre noch schwieriger gewesen, diesen Schritt nicht zu tun.

STANDARD: Wäre es nicht besser gewesen, weiterhin daran zu arbeiten, die SPÖ von innen zu verändern?

Ablinger: Das war eine sehr persönliche Entscheidung. Es wird ein völlig falscher Kurs eingeschlagen. Alles, was mir wichtig ist, ist nicht mehr durchsetzbar. Ich sehe keine Chance mehr, in der SPÖ etwas zu ändern.

STANDARD: Das Parteipräsidium hat am Montagabend Rot-Blau offenbar zur Kenntnis genommen. Für Hans Niessl hat der Bruch des Bundesparteitagsbeschlusses wohl keine Konsequenzen. Müsste es nicht zu einem Aufschrei kommen?

Ablinger: Genau das ist der Punkt. Wenn die Bundespartei orientierungslos reagiert und in so einer wesentlichen Glaubwürdigkeitsfrage sinngemäß sagt, die sollen machen, was sie wollen, dann kann ich einfach nicht mehr mit.

STANDARD: Warum ist es so weit gekommen?

Ablinger: Diese Entwicklung hängt mit der Diskussionskultur in der SPÖ zusammen. Die innerparteiliche Demokratie kommt ständig unter Druck. In den letzten Jahren folgte bei kritischen Debatten stets der Ruf zur Geschlossenheit. Das habe ich persönlich oft erlebt. Die Partei hat verlernt, kritisch zu reflektieren. Wir stehen in Österreich und in Europa vor einer komplexen Herausforderung. Darauf kann man nicht ständig mit dem Ruf zur Geschlossenheit reagieren. In der SPÖ wird alles schöngeredet und niedergehalten. Deshalb konnte auch Rot-Rlau so einfach "durchrutschen".

STANDARD: Parteichef Faymann sagt sinngemäß, die Linie ist, die Länder dürfen koalieren, mit wem sie wollen, im Bund gibt es keine Koalition mit der FPÖ.

Ablinger: Mit Verlaub, das ist keine Linie, das kann auch niemand nachvollziehen.

STANDARD: Könnte man mit einem Obmannwechsel die Situation in der SPÖ verbessern?

Ablinger: Eigentlich will ich nichts mehr dazu sagen, denn es ist nicht mehr meine Angelegenheit. Ich glaube, dass die Probleme der SPÖ tiefer liegen, als dass man sie mit Personalrochaden lösen könnte.

STANDARD: Was sind die Probleme?

Ablinger: Bei der letzten Nationalratswahl hat die SPÖ die geringste Zustimmung seit 1919 erhalten. Die Frauen der SPÖ Oberösterreich haben daraufhin einen Antrag auf einen Sonderparteitag gestellt. Der SPÖ gelingt es nicht, auf den Strukturwandel, der sich seit den 1980er-Jahren vollzieht, richtig zu reagieren. Wir waren der Meinung, die SPÖ müsste endlich darauf Antworten finden. Auch auf die Wirtschaftskrise findet die SPÖ die völlig falschen Antworten. Die Arbeitslosigkeit steigt monatlich. Das ist das Ergebnis einer Politik, die versucht, sich aus der Krise herauszusparen. Das hat bereits in den 30er-Jahren nicht funktioniert. Immer mehr Leute, die auch von der Krise betroffen sind, verlieren das Vertrauen in die Sozialdemokratie. Sie haben das Gefühl, es gibt keine Sicherheiten mehr für sie. Die Sozialdemokratie müsste sich für alternative Modelle in Wirtschaft und Gesellschaft auch alternative Bündnispartner suchen. Mit den Signalen, die die SPÖ aber oft sendet, wird das nicht funktionieren.

STANDARD: Wer könnten diese Bündnispartner sein?

Ablinger: Es gibt in der Gesellschaft viele progressive Kräfte. Aber wenn man denen zum Beispiel ständig Verschärfungen bei den Asylgesetzen vor den Latz knallt, wird man keine Bündnisse herstellen können.

STANDARD: Hat die FPÖ die richtigen Antworten? In der Steiermark, aber auch im Burgenland, hat sie massiv zugelegt.

Ablinger: Nein, sie hat nicht die richtigen Antworten. Das Schlimme ist: Die FPÖ mobilisiert Stimmungen gegen Zugewanderte und alle, die ihr nicht recht sind. Die FPÖ versucht mit Mobilisierung und mit Ängsten Wahlen zu gewinnen. Sie produziert die falschen Antworten. Die FPÖ produziert ein Klima, das die Gesellschaft spaltet und Hass aufeinander erzeugt.

STANDARD: Auf dem Mosaik-Blog, wo Sie als Redakteurin beteiligt sind, hieß es kürzlich, es wäre Zeit für ein linkes Projekt. Würden Sie sich für eine neue Linkspartei engagieren?

Ablinger: Ich verstehe, dass es viele solche Debatten gibt. Ich selbst bin in der Schule beschäftigt und ehrenamtliche Vorsitzende des Frauenrings sowie des Gewaltschutzzentrums. Ich hätte keine Ressourcen dafür.

STANDARD: Würde eine Linkspartei in Österreich reüssieren?

Ablinger: Das ist schwierig zu beurteilen. Ich denke, dass es von vielen in Österreich ein Bedürfnis gibt nach einer neuen linken Kraft.

STANDARD: Zur Causa Ablinger, wo es um die missachtete Frauenquote im SPÖ-Parlamentklub ging, wurde ja ein Bundesschiedsgericht einberufen. Hat das eigentlich schon getagt?

Ablinger: Meines Wissens nicht.

STANDARD: Hat sich Herr Faymann oder sonst jemand aus der SPÖ-Spitze wegen Ihres Parteiaustrittes bei Ihnen gemeldet?

Ablinger: Nein. Das erwarte ich ehrlich gesagt auch nicht.

STANDARD: Denken Sie, dass noch weitere Parteiaustritte folgen?

Ablinger: Das will ich nicht beurteilen. Das ist eine sehr persönliche Entscheidung, die jeder selbst trifft. (Katrin Burgstaller, 9.6.2015)