Viele Trends bei Kinderkleidung kommen aus der Erwachsenenmode. Hier eine Lederjacke und eine Schultasche von Hackett, eine Daunenjacke von Canada Goose, Slipper von Ferragamo, Rock und Top von Cos und ein Kleid von Burberry.

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Designermode für Kinder? Darauf stehen manche Eltern. Diesen Buben scheint das Label seiner Kleidung eher kaltzulassen.

Foto: Tommy Hilfiger

Die jüngste Fashion-Ikone ist gerade einmal ein paar Wochen alt. Prinzessin Charlotte, Tochter von Kate Middleton und Prinz William, kam gewissermaßen als Markenbotschafterin zur Welt. Da sie ein Mädchen ist, dürften ihre Outfits von der Öffentlichkeit noch aufmerksamer verfolgt werden als die ihres Bruders George. Schon der bewies Potenzial als kostenloser Werbeträger. Im vergangenen Jahr sorgte ein Bild von ihm in einer Petit-Bateau-Latzhose dafür, dass das Modell innerhalb kürzester Zeit ausverkauft war. "Einen besseren Botschafter als diesen kleinen Buben voller Leben hätten wir uns nicht erträumen können", freute sich damals Patrick Pergamont, CEO der französischen Kindermodemarke Petit Bateau.

Was der Marke in diesem Fall unverhofft zu enormen Verkaufszahlen verhalf, planen andere Labels inzwischen durch geschickte Kooperationen. Die Marke Burberry machte zum Beispiel den zwölfjährigen Romeo, Sohn von David und Victoria Beckham, zu ihrem Gesicht. Erst kürzlich sah man die einjährige North bei einer Modenschau mit Mama Kardashian und Papa West in der Front Row sitzen. In ihrem transparenten Spitzenkleid von Givenchy und Stiefeln von Doc Martens stahl sie ihrer Mutter die Show.

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Romeo Beckham wirbt für Burberry.
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Immer häufiger sieht man Kinder, deren schicke Outfits locker mit denen von Erwachsenen mithalten können. So wie die von Alonso Mateo. Mit seinen zarten sechs Jahren ist der Bub schon ein Star auf Instagram. Seine Looks lassen einen Ryan Gosling blass aussehen: ein Dior-Blouson über die Schultern geworfen, auf der kleinen Kindernase eine Pilotenbrille von Thom Browne, dazu einen trendigen Undercut-Schnitt, Mokassins und Chino-Hose.

Ein Dandy im Grundschulalter. Zurechtgemacht und fotografiert von seiner Mutter Luisa Fernanda Espinosa, einer amerikanischen Stylistin. Auf ihrem Instagram-Account @luisafere kann man verfolgen, wie der Kleine bereitwillig als Model für sie herhält. Dass eine Mutter ihren Sohn zum Posterboy macht, mag befremden, scheint aber genügend Fans zu finden. Immerhin hat es Frau Espinosa mit diesen Bildern auf über 532.000 Follower gebracht.

Im Schaufenster der sozialen Netzwerke

Das Zurschaustellen der eigenen Kinder ist kein neues Phänomen. Nur hat es durch die sozialen Netzwerke eine andere Dimension bekommen. "Es ist wie ein Schaufenster des Lebens, durch das man den eigenen Geschmack und den des Kindes präsentiert", sagt Anne-Charlotte Vermynck, Gründerin und Chefredakteurin der französischen Kinderzeitschrift "Doolittle". "Der Mini-Me-Aspekt spielt heutzutage eine wichtige Rolle. Man spiegelt sich in seinem Kind wider." Und kurbelt nebenbei auch das Geschäft mit der Kindermode an.

Alonso Mateo ist ein Star auf Instagram.

Auf der Jagd nach Likes und Followern werden die Fotos fleißig verlinkt und mit Hashtags versehen. So kann jeder sofort erkennen, welche Marken zu sehen und wo die Sachen her sind. Nachkaufen war noch nie so leicht. Und wenn man Anne-Charlotte Vermynck glaubt, hat das Dokumentieren der Looks noch einen weiteren Effekt: "Kleidung hat dadurch eine höhere Aufmerksamkeit. Nicht nur Freunde oder Eltern der Freunde können jetzt den hübschen Blouson des Nachwuchses bewundern, sondern die ganze Familie, der Bekanntenkreis, die Arbeitskollegen, kurzum die gesamte Internet-Gemeinde."

Lagerfeld for Kids

Kein Wunder also, dass Marken immer mehr in Kindermode investieren. Erst jüngst kündigte Karl Lagerfeld eine Linie für Kinder an. Mit "Lagerfeld Kids" wird sein Label nun auch Kleidung für Null- bis 16-Jährige anbieten. Die Linie soll Anfang 2016 auf den Markt kommen. Und sie ist nicht die Einzige. Christian Lacroix steht ebenfalls für 2016 in den Startlöchern, die Linie von Margherita Missoni wurde bereits Anfang März gelauncht, Marni kam 2011 ins Rennen, und Stella McCartney macht schon seit 2010 erfolgreich Kindermode. Alle Big Player sind inzwischen dabei: Burberry, Marc Jacobs, Chloé, Kenzo ...

Laut der Tageszeitung "Libération" macht das Unternehmen Children World Wide Fashion, das die Lizenzen für Chloé, Little Marc Jacobs, Burberry, Boss, Timberland, Lee und Karl Lagerfeld Kids hat, 160 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Und die Prognosen des US-Marktforschungsinstituts Global Industry Analysts versprechen steigende Zahlen: Bis 2020 soll der weltweite Kindermodemarkt auf 291 Milliarden US-Dollar anwachsen. Zum Vergleich: Für 2017 hatten sie bereits einen Anstieg auf gut 173 Milliarden Dollar vorausgesagt.

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Die Latzhose, die der kleine Prinz George hier trägt, war schnell ausverkauft.
Foto: apa/epa/stilwell

Dem Bericht zufolge sollen vor allem gesellschaftliche Faktoren das Aufkeimen des Marktes begünstigen. Die sinkende Anzahl der Kinder pro Familie zum Beispiel, die steigende Zahl der Haushalte mit doppeltem Einkommen oder späte Elternschaft, zu einem Zeitpunkt, zu dem man beruflich bereits Fuß gefasst hat und das Einkommen entsprechend hoch ist. "Familienmodelle sind vielseitiger geworden", glaubt Vermynck. "Die Mode antwortet auf die neu entstandenen Bedürfnisse. Nicht selten trifft man heute auf Eltern, die sich ein neues Leben mit anderen Partnern aufgebaut haben, die womöglich selbst Kinder haben. Auch Großeltern nehmen heute einen wichtigen Stellenwert im Leben ihrer Enkel ein, da oft beide Eltern berufstätig sind. Immer mehr Personen fühlen sich verantwortlich, und somit hat auch die Kaufkraft zugenommen."

Erwachsenenmode färbt ab

Die Markenhersteller haben also Lunte gerochen und sich angepasst. "Das Universum für Kinder ist in den letzten Jahren immer modischer geworden", sagt Cécile Roederer, Gründerin des Online-Kinder-Concept-Stores Smallable. Das Angebot reicht von metallisch glänzenden Kleidern, mit Pailletten besetzten Sneakern und Bikerjacken bis hin zu Jeans mit speziellen Waschungen. "Viele Trends kommen direkt aus der Erwachsenenmode", erklärt Roederer, "und die Auswahl wird immer größer. Zum Beweis: Bei Smallable führen wir inzwischen um die 200 Modemarken."

Kein Vergleich zum dürftigen Angebot von vor 40 Jahren, als das französische Kinderluxuslabel Bonpoint gegründet wurde. "Damals war Kindermode noch ernst und angepasst", erzählt Christine Innamorato, Kreativdirektorin der Marke. "Es war eine Zeit, in der man gerade anfing, von Françoise Dolto zu sprechen und sich darüber klar zu werden, dass ein Kind eine Person ist." Eine Person, deren Garderobe der eines Erwachsenen in nichts nachstehen muss. Die Kleiderschränke von Suri, Harper, North, Blu Ivy – oder wie die kleinen "It-Girls" alle heißen – machen es vor. Wer als modebewusste Eltern etwas auf sich hält, investiert heute offensichtlich in die Kleidung seines Nachwuchses. Dass der aus den teuren Sachen schnell herauswächst, macht das Business für die Marken umso lukrativer. (Estelle Marandon, Rondon, 12.6.2015)