Brüssel - Die EU-Kommission macht Druck in ihrem Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug. Die Brüsseler Behörde forderte Estland und Polen auf, innerhalb eines Monats geforderte Informationen über ihre Vorgehensweisen bei Steuervorbescheiden zu übermitteln, sonst droht eine Klage vor dem EuGH. Auch Österreich und 14 weitere EU-Staaten sollen Informationen über Steuervorbescheide vorlegen.

Dies sind schriftliche Erklärungen von Steuerbehörden an Unternehmen, die im Vorhinein festlegen, wie die Unternehmenssteuer zu berechnen ist und welche Steuervorschriften angewendet werden. Luxemburg war wegen solcher Bescheide in der sogenannten Luxleaks-Affäre in den Verdacht geraten, internationalen Großkonzernen wie Amazon unfaire Vorteile einzuräumen.

Die Anfrage an die 15 Staaten sagt laut Kommission nichts darüber aus, ob in den betreffenden Fällen beihilfenrechtliche Untersuchungen eingeleitet werden. Durchschnittlich wurden nach Angaben aus EU-Kreisen fünf bis zehn Steuervorbescheide ("tax rulings") angefordert

Gesamtbild

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager erklärte am Montag, "wir verschaffen uns gerade ein Gesamtbild davon, wie Steuervorbescheide in der Praxis gehandhabt werden". So würden "einige Teile des Puzzles noch immer fehlen".

Ein vollständiger Überblick sei erst möglich, wenn auch sämtliche Informationen von Estland und Polen vorliegen. Die EU-Kommission untersucht seit Juni 2013, wie die Staaten bei Steuervorbescheiden vorgehen. Im Dezember 2014 weitete sie die Untersuchung auf alle EU-Länder aus. Zu den 15 Staaten, die nun Anfragen erhalten, zählen neben Österreich noch Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Litauen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Spanien, Tschechien und Ungarn.

Wettbewerbsvorteile im Visier

Aus Irland, Luxemburg, Malta, den Niederlanden, Großbritannien und Zypern hat die Brüsseler Behörde solche Vorbescheide bereits angefordert. Derzeit gebe es keinen Anlass, auch von Bulgarien, Griechenland, Kroatien, Lettland und Slowenien Steuervorbescheide zu ordern, hieß es. Dies könnte bedeuten, dass die fünf zuletzt genannten Staaten eine Art weiße Weste haben. In der EU-Kommission war zunächst von 22 Ländern gesprochen worden, die Steuer-Deals haben könnten, später war von 24 Staaten die Rede.

Nach den "Lux Leaks"-Enthüllungen über Steuer-Deals für Großkonzerne hatte die EU-Kommission weitestgehende Untersuchungen in allen Ländern angekündigt, die derartige Praktiken zugelassen haben. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte zuletzt angekündigt, den geplanten Informationsaustausch über Steuervorbescheide ("Tax Rulings") voranzubringen. Mit einem derartig breiten Info-Austausch sollen sich vor allem größere Länder keine Wettbewerbsvorteile mehr verschaffen können. (APA, 8.6.2015)