30 Grad Celsius und der Wiener Kongress: Diskussion im Garten des Palais Liechtenstein.

afs

Der ehemalige EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Podium ...

afs

... und im Park des Belvedere.

afs

Der ehemalige EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso vertrat bei einer Diskussion zum 200. Jahrestag des Wiener Kongresses die Ansicht, nicht die Weltgemeinschaft habe Russland ausgegrenzt, Russland habe sich selbst ausgeschlossen. "Wir leben in unsicheren Zeiten", so Barrosos Fazit. In Europa haben sich die Zeiten gravierend geändert, die Expansion der EU und der Nato habe ihr Limit erreicht.

Diese Meinung vertrat auch Harold James, Historiker an der Princeton University. Er nannte den Krieg mit Georgien 2008 als Wendepunkt für die geänderten Beziehungen Russlands zu den anderen Staaten. "Es ist nicht so, dass die internationale Ordnung Russland ausgegrenzt hat."

Disput um Russland

Auf die derzeit in Elmau tagende G7 bezogen vertrat der langjährige österreichische Spitzendiplomat Albert Rohan die Ansicht: "Es war ein Fehler, Russland aus der G8 auszuschließen."

Barroso widersprach: Es habe genügend Versuche gegeben, Russland einzubinden. Aber Russland habe die Prinzipien verletzt. Es sei im Übrigen ein Widerspruch gewesen, dass Russland einerseits bei der G8 beteiligt gewesen sei, andererseits bei der Gruppe der Brics, der Staatengruppe bestehend aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.

Die EU dürfe ihre Prinzipien nicht aufgeben und müsse Lösungen suchen, die ihre Werte sicherstellten. Alle Kanäle müssten offengehalten werden, sagte Barroso.

Uno unreformierbar

Der ehemalige österreichische Vizekanzler Erhard Busek forderte aus dem Publikum neue Formate zur Konfliktlösung. Die Welt von heute werde nicht mehr durch die G7 repräsentiert. Rohan erklärte, die Vereinten Nationen kämen dafür auch nicht in Betracht. "Die Uno ist unreformierbar und überholt."

Auf dem Podium war man sich einig, dass man neue Formen der Konfliktlösung brauche. "Wir haben keine neuen Verhandlungsformate für die globalisierte Welt", sagte Barroso. Am ehesten sei noch die G20 jenes Forum, das die Welt von heute am besten darstelle.

Heutzutage seien vor allem Geduld und Umsicht gefordert – was in einer Zeit, in der rasche Lösungen verlangt werden, immer schwieriger werde. Mit Blick auf den Wiener Kongress meinte der langjährige Kommissionspräsident: Damals sei genügend Zeit gewesen, Problemlösungen vorzulegen, heute sei der Druck auf Politiker sehr hoch.

Smartphones ändern Diplomatie

Wolfgang Danspeckgruber vom Liechtenstein Institute on Self-Determination an der Princeton University, der die zweitägige Veranstaltung organisiert und geleitet hatte, verwies auf Änderungen durch Technologie: Durch Smartphones ändere sich auch die Demokratie, da bei Verhandlungen zu jeder Zeit ein Rückkanal in die Heimat aufgebaut werden könne.

Reinhard Stauber, Historiker an der Universität Klagenfurt, erinnerte daran, dass der Wiener Kongress keine Friedenskonferenz gewesen sei, sondern dass es vor allem um die Absicherung von Sicherheit gegangen sei. (red, 8.6.2015)