SPÖ-Chef Franz Voves und Mario Kunasek (FPÖ) am Wahlabend in Graz

Graz - Jetzt, nach den Landtagswahlen im Burgenland und der Steiermark, zu beklagen, die SPÖ und ÖVP wären zu allem bereit, sogar zu einer Koalition mit der FPÖ, nur um ihre Macht nicht zu verlieren, ist eine recht vereinfachte Sicht der Dinge. Aber: Sie ist wohl richtig.

Ideologien, Wertvorstellungen oder politisch-moralische Bedenken: Das war gestern. Horcht man in die roten und schwarzen Lager hinein, geht es jetzt allein um die Absicherung der jeweiligen Einflusssphären im Bundesland. Und darum, in welcher Konstellation diese unangetastet bleiben.

Burgenland ist abgehakt, was nun in der Steiermark für SPÖ und ÖVP realpolitisch auf dem Spiel steht, dazu bedarf es nur Rot-Blau oder Schwarz-Blau durchzudeklinieren. Nach den Entwicklungen der letzten Tage sind ja beide Varianten auch hier nicht mehr auszuschließen.

Gedankenspiel: ÖVP auf der Oppositionsbank

Angenommen, die SPÖ macht es Hans Niessl nach und schmiedet - ohne Franz Voves, der einen Pakt mit der FPÖ für sich ausgeschlossen hat - eine Koalition mit den Freiheitlichen. Allein die Vorstellung einer solchen Konstellation jagt steirischen ÖVP-Politikern den kalten Schauer über den Rücken. Seit 70 Jahren sitzen ÖVP-Politiker in der Landesregierung. 60 Jahre davon stellte die ÖVP den Landeshauptmann.

Die Steiermark ist trotz des roten Intermezzos mit Franz Voves tief im Herzen, bis in alle arteriellen Verästelungen, ein schwarzes Bundesland geblieben. Bilden SPÖ und FPÖ eine Koalition, müsste die Volkspartei - da ja der Proporz als Errungenschaft der "Reformpartnerschaft" abgeschafft wurde - mit den Grünen und Kommunisten die Oppositionsbank teilen.

Managerverträge laufen aus

Sie flöge in den nächsten Jahren, wenn die Verträge der Geschäftsführer der Landesunternehmen auslaufen, aus allen Machtpositionen des Landes raus. Von der Spitalsholding, dem größten Arbeitgeber, bis zum Landesenergiekonzern, von den Schulen, den Planaibahnen bis zu den Forschungseinrichtungen. Es wäre vergleichbar, wenn auch in etwas kleinerer Dimension, mit der Vorstellung, ein Erwin Pröll müsste in die Opposition und zusehen, wie andere das Land regieren.

Ein ähnliches Szenario gilt natürlich auch umgekehrt, wenn die ÖVP unter Hermann Schützenhöfer mit der FPÖ koalierte.

Auch SPÖ-Organisationen kämen unter Druck

Auch die SPÖ hat seit 70 Jahren Regierungsverantwortung, wenn auch bis auf die Voves-Ära in der Position als Zweiter. Repräsentanten der SPÖ sitzen aber dennoch in so ziemlich allen Entscheidungsebenen an Schalthebeln. Eine schwarz-blaue Regierung brächte die rote Welt zum Einstürzen.

Die SPÖ wäre ebenfalls aus allen landesnahen Unternehmen raus und völlig entmachtet. Die höchste politische Funktion wäre ein Klubobmann im Landtag.

Selbst auf ihre Hausmacht, die Sozial- und Betreuungsorganisationen wie Volkshilfe oder Jugend am Werk, kämen schwarze Zeiten zu, denn all die SPÖ-Vorfeldunternehmen sind auch von Landesförderungen abhängig. Da müsste man eine schwarz-blaue Regierung wohl jedes Mal sehr bitten.

Eine Wahl zwischen Pest oder Cholera

In die Opposition gehen und weg von der Macht sein für womöglich Jahrzehnte - oder einen Pakt mit der FPÖ eingehen: Diese Frage quält in diesen Stunden die inneren Zirkel von ÖVP und SPÖ. Wobei die Berührungsängste der ÖVP zur FPÖ geringer ausgeprägt sind als bei der SPÖ, deren Chef Franz Voves aus ideologischen Gründen mit den Blauen nicht kann. Die ÖGB- und Arbeiterkammerführung haben zuletzt im Standard-Gespräch aber die Tür zur FPÖ bereits aufgemacht.

Eine Wiederauflage der "Reformpartnerschaft" gilt seit der schweren Wahlniederlage von SPÖ und ÖVP als Auslaufmodell und eher unwahrscheinlich. Hingegen werden die Verlockungen, den jeweiligen Partner mit der FPÖ auszubooten, immer größer.

Wie sagte ein SPÖ-Politiker dieser Tage resignierend? "Wir stehen vor der Entscheidung: Pest oder Cholera." (Walter Müller, 8.6.2015)