Politikwissenschaftler Thomas Hofer (hier am Grundlsee) war beim "Medienmittelpunkt" im Ausseerland: "Faymann hat innerparteilich jegliches Gewicht verloren, er wird in der Partei nur noch geduldet."

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Der Politikwissenschafter Thomas Hofer hält nicht für ausgeschlossen, dass es noch vor der Landtagswahl in Wien am 11. Oktober zu einem Obmannwechsel in der SPÖ kommt. Er bezeichnet es nach den Vorkommnissen der vergangenen Woche als "wahrscheinlicheres Szenario, dass Faymann noch vor der Wien-Wahl weg muss". Das Sommerloch sei heuer "abgeschafft", in den nächsten Wochen werde es Debatten über Faymann geben, sagte Hofer bei der Veranstaltung Medienmittelpunkt, die heuer zum zweiten Mal im Ausseerland abgehalten worden ist.

Die SPÖ habe keine Strategie. "Faymann hat innerparteilich jegliches Gewicht verloren, er wird in der Partei nur noch geduldet." Eine Koalition mit der FPÖ sei nicht nur gegen SPÖ-Parteitagsbeschlüsse sondern auch ein Tabubruch. Faymann stehe für kaum etwas und jetzt sei dieses letzte Bisschen auch noch weg. Niemals mit der FPÖ, diese einzige Säule im SPÖ-Wahlkampf, sei "pulverisiert" worden, sagte Hofer.

Für Wien gefährlich

Die Entscheidung von Hans Niessl, im Burgenland mit der FPÖ zu koalieren, habe auch Auswirkungen auf die Wien-Wahl. "Was Niessl macht, ist für Häupl dramatisch gefährlich." Schon bisher sei die SPÖ-Wahlkampagne – wie auch jene in der Steiermark – nicht sehr gut gewesen. "Häupl war schon in besserer Form." Für die SPÖ sei "nicht alles leiwand". Das Thema Rot-Blau gebe es auch in Wien "und gerade in Wien".

Hofer hält aufgrund der Entwicklungen nach den Landtagswahlen im Burgenland und der Steiermark vorgezogene Neuwahlen im Bund für möglich: "Ich kann mir gut vorstellen, dass wir vor 2018 wählen." Werner Faymann sei dann "sicher nicht mehr" Kanzlerkandidat.

Mediales Glück für Neos

"An eine Selbstauflösung der SPÖ glaube ich nicht. Noch nicht", ergänzte Hofer. Für linke Alternativen sehe er keine geeignete Führungsperson. Die anderen Oppositionsparteien neben der FPÖ könnten vom Frust der Bürger nicht profitieren. Die Neos hätten "großes Glück" gehabt, dass medial ihr Abschneiden in der zweitgrößten Universitätsstadt Österreichs kaum wahrgenommen worden sei. Sie hätten nicht einmal dort ein Grundmandat geschafft.

Auf die Frage, ob es bald einen Bundeskanzler Strache gebe, sagte Hofer: "Ganz ehrlich, ich weiß es nicht." Er präzisierte dann, das sei "nicht auszuschließen", denn "die Lust an der Selbstzerstörung" sei in der SPÖ und der ÖVP sehr ausgeprägt. "Seit 1986 sagt die FPÖ uns allen, wie furchtbar Ausländer sind. Ihre Rahmenerzählung hat sich durchgesetzt". Jörg Haider spiele noch immer eine Rolle: "Strache lebt von dem, was Jörg Haider von 1986 an für ihn aufbereitet hat."

Kein fliegender Wechsel

Zu den Gerüchten, dass die ÖVP mehr und mehr Abgeordnete vom Team Stronach aufnehme mit dem Ziel, einen fliegenden Koalitionswechsel in Richtung FPÖ zu unternehmen, meinte Hofer. "Strache müsste ein schöner Idiot sein, wenn er sich auf so etwas einlässt", schließlich brauche er nur zu warten. Er sei sich auch nicht sicher, ob die FPÖ überhaupt Lust zum Mitregieren habe, von der Personalfrage abgesehen."

Dass die Fortsetzung der Reformpartnerschaft in der Steiermark gesichert ist, glaubt Hofer indes nicht. Schwarz-Blau hält er für nicht ausgeschlossen. Dann müsste aber jemand anderer als Hermann Schützenhöfer die ÖVP führen.

Voves-Rücktritt ein Treppenwitz

Stimmen für Rot-Blau in der SPÖ, über die auch der STANDARD berichtet hat, gebe es. Allerdings gehe er nicht davon aus, dass es dazu kommen werde, denn "dann müsste man Franz Voves aus dem Weg räumen". Der gebürtige Steirer ergänzte, "dies wäre ein Treppenwitz", da Voves ja unbedingt bleiben wolle, obwohl er das von ihm gesteckte Ziel von 30 Prozent nicht erreicht habe. Dies habe der Glaubwürdigkeit der SPÖ massiv geschadet.

Die Gemeindefusionen seien nicht der entscheidende Punkt für die massiven Verluste von SPÖ und ÖVP gewesen, von einzelnen Gemeinden abgesehen. Eher habe die Frage der Spitäler aufgeregt, erklärte Hofer. (Alexandra Föderl-Schmid, 7. 6.2015)