Der griechische Premier Alexis Tsipras am 5. Juni im Athener Parlament

Foto: imago

Vor kurzem hat der einflussreiche deutsche Wirtschaftskolumnist Wolfgang Münchau vorausgesagt, dass die Regierung von Alexis Tsipras sich im Verhandlungspoker mit der Eurozone durchsetzen wird.

"Die Griechen sind trotz ihrer wirtschaftlichen Schwäche in der relativ stärkeren Verhandlungsposition, weil sie mittlerweile klargemacht haben, dass sie notfalls bereit sind, den Euroraum zu verlassen", schrieb Münchau im Spiegel online. Das wollen die Europartner verhindern und werden deshalb vage Reformzusagen aus Athen akzeptieren, selbst wenn sie wissen, dass sie nicht eingehalten werden. Und langfristig, so Münchau, wird Griechenland den Schuldenschnitt erhalten, die Syriza verlangt und der auch wünschenswert wäre.

Überzeugende Argumente

Münchaus Argumentation klang überzeugend – auch für Leute, die bisher wenig strategisches Geschick bei Tsipras und seinem Finanzminister Yanis Vanoufakis erkennen konnten. Auch mein Kollege Andreas Schnauder glaubt, dass Athen die besseren Karten hat.

Die Ereignisse der letzten Tage lassen die griechische Verhandlungstaktik allerdings in einem anderen Licht erscheinen.

Harte Ansage im Parlament

Indem Tsipras im Athener Parlament die Reformforderungen der Eurozone als "absurd" zurückwies und einen sofortigen Schuldenschnitt verlangte, schob er einer diplomatischen Einigung einen Riegel vor. Die Auszahlung der Milliardengelder ohne einen klaren Spar- und Reformkurs ist für die anderen Euro-Schuldnerländer inakzeptabel, die alle selbst schmerzhafte Reformen durchgezogen haben, um ihre Wirtschaft aus der Schuldenfalle zu befreien.

Und der Schuldenschnitt ist, obwohl er de facto längst vollzogen wurde, für Deutschland ein politisches Tabu. Niemand rechnet ernsthaft damit, dass Griechenland seine Schulden vollständig zurückzahlen wird. Aber formal will und kann Angela Merkel bei diesem Punkt nicht nachgeben.

Den Europartner geht es auch ums Geld, aber noch mehr um Prinzipien. Sie haben rote Linien, die sie nicht bereit sind zu überschreiten.

Er reizt die Verhandlungspartner

Das alles weiß Tsipras. Warum also reizt er seine Verhandlungspartner mit so harten Ansagen? Mehr Zugeständnisse wird er dadurch nicht gewinnen. Die Botschaft ist offenbar an ein griechisches Publikum gerichtet.

Und das lässt Tsipras plötzlich schwach, ja sogar hilflos erscheinen. Offenbar fürchtet er seine parteiinternen Kritiker in Syriza noch mehr als Merkel, Wolfgang Schäuble und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der ihm am Samstag sogar ein Telefongespräch verweigerte.

Aber wenn Tsipras nicht einmal formale Zugeständnisse machen kann, um den Schein der Kooperation zu bewahren, weil er fürchtet, im Parlament seine Mehrheit zu verlieren, dann ist eine Einigung, die eine Auszahlung der Hilfsgelder erlaubt, unmöglich. Dann kommt es spätestens Ende Juni zum Staatsbankrott, dann wird der Grexit sehr wahrscheinlich.

Risiko für die Eurozone

Für die Eurozone wäre dies ein Risiko; die anderen Euroländer und die Europäische Zentralbank würden auf ihren Griechenland-Schulden sitzenbleiben.

Für Griechenland bietet die Abwertung eine Chance für einen Neuanfang, allerdings erst nach einer Phase massiver Turbulenzen, die das Land noch ärmer machen würde.

Wenn Tsipras den Grexit will, dann hätte er das schon viel früher erzwingen können. Wenn es allerdings sein Ziel ist, im Euro zu bleiben und bloß die Sparpolitik zu beenden, wie er immer wieder behauptet, dann kann er dies zwar immer noch erreichen. Aber die Chancen dafür sind weiter geschwunden. (Eric Frey, 7.6.2015)