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Mit Hähnen gegen G7

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Brütende Hitze in Bayern

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Die Forderungen der Demonstranten

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Am Abend brach ein Gewitter aus, so dass die Demo-Organisation kurz erwog, das Camp zu evakuieren

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Also das war so: Der Edmund aus Murnau, unweit von Garmisch-Partenkirchen, hat vor ein paar Wochen seiner Frau zugeschaut, wie sie die Osterdeko wieder wegräumen wollte. Da waren zwei prächtige Hähne dabei, und da ist dem Ehepaar eine Idee gekommen. Hut gebastelt, Hähne draufgesteckt, und so stehen sie jetzt an diesem Samstag in der Hitze vor dem Bahnhof von Garmisch-Partenkirchen, um bei der Demonstration gegen den G-7-Gipfel mitzumarschieren. "Ich protestierte gegen Massentierhaltung und gegen das Handelsabkommen TTIP, weil da werden die Standards noch einmal heruntergedrückt", erklärt Edmund.

Der Schweiß rinnt ihm herunter - so wie allen anderen auch. Demonstranten, Organisatoren vom Aktionsbündnis "Stop G7 Elmau", Polizisten, Journalisten, sie alle leiden unter der enormen Hitze.

Aber demotechnisch, verrät ein Polizist, ist diese nicht schlecht. Wenn es ganz heiß oder ganz kalt ist, dann steigt die Chance, dass der Protest friedlich bleibt. Mittelwarm hingegen sei schlecht.

35.000 demonstrierten in München

Denn das ist die große Frage, die Garmisch-Partenkirchen seit Wochen umtreibt: Wird der Protest friedlich bleiben? In München, am Fronleichnamstag, war es so gewesen. 35.000 Menschen waren gekommen. Doch jetzt in Garmisch ist die Szene anders. Viele linke und "revolutionäre" Gruppen sind angereist und sammeln sich vor dem Bahnhof.

"Hoch die internationale Solidarität!" skandieren viele schon mal, um sich noch wärmer zu laufen. Immer wieder gehen Gruppen von Polizisten in Kampfmontur durch die Menge. Den Organisatoren stinkt das gewaltig. "Wir halten uns an alle Auflagen, also bitten wir jetzt die Polizei die Demo zu verlassen", verkünden sie via Lautsprecher. Es funktioniert.

"Ich bin auch hergekommen, um gegen diese Polizeimaßnahmen zu demonstrieren", sagt eine Rentnerin, "Wir sind doch hier ein friedlicher kleiner Landkreis, das ist ein Wahnsinn." Außerdem fühlt sie sich als Stimme des Volkes: "Wenn wir nicht zeigen, dass wir gegen den Gipfel sind, dann kriegen das Merkel und Obama ja gar nicht mit." Ihr Ehemann hätte sogar eine Botschaft an US-Präsident Barack Obama: "Yes you could, but you did not." Den Friedensnobelpreis habe der US-Präsident bekommen, sagt er, und was sehe man heute wenn man auf die Weltkarte blicke: "Mehr Konflikte denn je, und jetzt mit der Ukraine sogar vor unserer Haustüre."

Foto: Birgit Baumann

Sie steht aufrecht in der Hitze des frühen Nachmittags und blickt energisch auf die vielen Polizisten, deren Präsenz für herrlich ungewohnte Bilder sorgt. Wann sonst sieht man so viele Uniformierte vor der Mutter Gottes, die überlebensgroß und samt Jesukind, von einer Hauswand grüßt. Andere und Jüngere haben schon aufgegeben. Matt liegen viele schwarz Gekleidete am Rande der Straße im Schatten und warten, dass es endlich los geht.

Für besondere Heiterkeit sorgt die Aufschrift auf einem T-Shirt: "Ich bin aufgestanden und angezogen, was willst du mehr?"
Foto: Birgit Baumann

Dass es nicht zur vereinbarten Uhrzeit losgeht, liegt an zu großen Transparenten. Das bayerische Polizeigesetz erlaubt sie nur in einer bestimmten Größe. Viele aber überschreiten die angegebenen Maße deutlich. Das Organisationsteam und die Polizei verhandeln hektisch, man merkt jedoch auf beiden Seiten das Bemühen zur Deeskalation. Dann endlich ist alles geklärt, der Zug startet. "Seid laut, seid entschlossen!" werden die Demonstranten von den Organisatoren aufgefordert.

Langsam zieht der Tross los, von 3.600 Teilnehmern spricht die Polizei, 5.000 wollen die Organisatoren gezählt haben. Sie ziehen vorbei an der Konditorei, dem Eissalon, dem Gästehaus "Zufriedenheit", auch am Sportgeschäft der beiden bayerischen Schilegenden Rosi Mittermaier und Christian Neureuther.Hinter den Gartenzäunen, auf gepflegtem Gras und zwischen prächtigen Pfingstrosen, stehen die Einheimischen und schauen dem Spektakel zu. Manche sind fasziniert ("gut, dass es Leute gibt, die sich engagieren"), manche entsetzt ("so viel Polizei für ein paar laute Demonstranten, was das kostet").

Einmal mehr wird der Aufruf des Aktionsbündnisses verlesen:

* Weg mit den Freihandelsabkommen TTIP, TISA und CETA - die Welt ist keine Ware.

* Gegen Militarisierung und Krieg - Schluss mit den Kriegen der NATO-Staaten.

* Grenzen auf für alle Menschen - Solidarität mit den Migrant*innen und Flüchtenden.

* Stoppt die Ausbeutung von Mensch und Natur - Entzieht die natürlichen Lebensgrundlagen der Profitwirtschaft.

* Gegen den sozialen Kahlschlag - Die Konzerne sollen ihre Krise selbst bezahlen.

* Stopp watching us - Gegen Überwachungsstaat und den Abba demokratischer Rechte.

Es wird geklatscht, gesungen und gepfiffen."Ist eh nichts anderes als bei einem Länderspiel", sagt ein Polizist zum anderen. Zunächst bleibt auch alles friedlich - selbst im berüchtigten schwarzen Block, den es so offiziell ja gar nicht gibt. Aber natürlich marschieren an einer Stelle auffällig viele schwarz gekleidete junge Menschen mit Sonnenbrillen und Kapuzenjacken. Manchmal ziehen sich noch schwarze Tücher über die untere Gesichtshälfte. Dann kommt sofort die Aufforderung der Polizei, diese wieder abzunehmen. "Eigentlich hätten wir sie sofort rausziehen können, weil das ja schon ein Verstoß gegen das Vermummungsverbot war", sagt Polizeisprecher Peter Grießer zum Standard, "aber wir wollten den Ball auch flach halten."

Nach drei Stunden kommt es doch zu ersten Auseinandersetzungen. Demonstranten zünden eine Nebelrakete und versuchen auszuscheren. Doch die Polizei geht sofort mit Pfefferspray dazwischen. Ein Polizist und eine Demonstrantin werden verletzt, die Polizei widerspricht der Darstellung der Gipfelgegner, sie habe auch Schlagstöcke verwendet. "Feuerlöschpulver auf Polizisten sprühen und Flaschenwerfen ist NICHT friedlich und GEHT GAR NICHT", twittert die Polizei danach.

Und das alles passiert, während noch kein einziger G-7-Staats- oder Regierungschef den bayerischen Boden betreten hat. Diese kamen erst Samstagabend und am Sonntag an und werden dann - je nach Wetterlage - mit Limousinen oder per Helikopter vom 100 Kilometer entfernten München ins Luxus-Schloss Elmau gebracht.

Die eigentlich für Sonntag geplante Mini-Demonstration, in deren Rahmen 50 G-7-Gipfelgegner in der Nähe des Schlosses protestieren hätten dürfen, wurde am Samstag vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof untersagt: Die Aktivisten hätten es abgelehnt, in Polizeifahrzeugen hingebracht zu werden, und einen Fußmarsch ließen die Richter wegen "unmittelbarer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit" nicht zu. (Birgit Baumann aus Garmisch-Partenkirchen, 6.6.2015)