Das Umkreisen der bäuerlichen Festung mit der Kamera in John Skoogs "Reduit (Redoubt)" mit der Kamera erleichtert nicht gerade die Orientierung: Es ist ein Abtasten und Verunsichern zugleich.

Foto: John Skoog, Mumok

In diesem Bild findet sich die Antwort auf die Frage, woher die mysteriösen Geräusche in "Reduit (Redoubt)" rühren: Vom Dolly (Kamerawagen) auf den Schienen rund um die Festung von Karl-Göran Persson.

Foto: John Skoog

Wien - Mit dem ersten Bild setzt das Knarren ein. Zu dem Knarzenden, Schabenden fügt sich ein metallenes Quietschen und lässt das Unbehagen wachsen. Nicht allein, weil es ein unangenehmes Geräusch ist, fremd, nach etwas klingt, das nicht sein soll, sondern auch weil es keiner Quelle zugeordnet werden kann. Es will so gar nicht zu den filmischen Bildern, die es begleitet, passen.

In Reduit (Redoubt), einem 14-minütigen Film des schwedischen Künstlers John Skoog aus dem Jahr 2014, gleitet die Kamera fast wie in Zeitlupe über Bretter, wie die Nadel auf einer Vinylplatte tastet sie jedes Astloch, jede Rille im Holz ab. Wozu sich diese Bretter allerdings fügen, bleibt in der extremen Nahsicht, in der sich auch kein Oben oder Unten ausmachen lässt, völlig im Unklaren.

Mit Bildern zu irritieren ist kaum mehr möglich. Der Mensch ist derart gewöhnt an den Umgang mit ihnen, ja er fügt der Flut vorgesetzter täglich sogar noch eigene hinzu. Durch Smartphones, so Skoog, besäße man ein noch unmittelbareres Bildverständnis, weiß, wie man manipuliert, weiß um den Unterschied zwischen wahren und falschen Bildern.

Das ist wohl auch der Grund dafür, dass dem Ton in den filmischen Arbeiten Skoogs (geb. 1985) eine so wesentliche Rolle zukommt: Der Künstler, der mit dem Sounddesigner David Gülich und dem Komponisten Fredrik Wallberg zusammenarbeitet, baut nicht nur die Atmosphären soundbasierend auf, sondern setzt der impulsiven Lesart der Bilder auch effektvoll etwas Zuwiderlaufendes entgegen; etwas, das mit tiefen Frequenzen an der Schwelle des Hörbaren, also eher im Unbewussten ansetzt.

Reduit (Redoubt) erhielt im Vorjahr auf der Art Basel dem Baloise-Kunstpreis und steht daher ab 24. Juni im Zentrum der kleinen Skoog-Personale Värn im Mumok. Zusammen mit den parallel präsentierten Filmen Sent på Jorden ("Spät auf Erden" nach einem Gedichtband von Gunnar Ekelöf) von 2011 und Förar ("Vorfrühling") von 2012 fügen sie sich zu einer Trilogie, die im ländlichen Südschweden rund um Skoogs Geburtsort Kvidinge verortet ist. Idyllen, Traditionen und Lebensformen sind Motive, die ebenso hinterfragt werden wie damit verknüpfte Wertungen wie "vermeintlich", "überkommen" oder "sonderbar". Auch Landschaft, Tages- und Jahreszeiten fungieren als metaphorische Stimmungsträger jenseits des Eindeutigen.

In Sent på Jorden, der bereits vor dem ersten Bild, auf der Tonenebene mit einem abendlichen Vogelkonzert, einer nahezu perfekten Sommeridylle, einsetzt, ist die Dramaturgie und der Spannungsaufbau mithilfe der digital bearbeiteten, übereinandergelegten oder vorgezogenen Originialtöne meisterlich.

Die Festung auf dem Feld

Am narrativsten ist, nicht nur weil aus dem Off irgendwann Erzählstimmen auftauchen, jedoch Reduit (Redoubt). Indiz für Indiz schält sich die Geschichte eines gesellschaftlichen Außenseiters heraus, der Ende der 1940er-Jahre beginnt, von den Nachbarn beargwöhnt, eine Festung für sich und die anderen zu bauen, die einem möglichen sowjetischen Angriff standhalten soll. Neben dieser anrührenden Person und ihrem großen sozialen Gewissen ist es insbesondere die Botschaft, dass es auch andere Lebenswege gibt, die Skoog in diese Arbeit legt. Am wichtigsten ist aber vielleicht die angestoßene zeitgenössisch-politische Lesart. Denn auch heute sehen sich die Schweden wieder durch Russland verängstigt: 2011 setzten die Verletzungen schwedischer Hoheitsgewässer durch russische U-Boote wieder ein. (Anne Katrin Feßler, Spezial, 6.6.2015)