Auf einem winzigen Baugrund in Tokio entstand in den 1960ern das "Tower House". Dessen Geometrien näherte sich Karl-Heinz Klopf filmisch.


Foto: Courtesy Karl-Heinz Klopf

Wien - Als der japanische Architekt Takamitsu Azuma mit seiner Frau in Tokio eine Wohnung suchte, war er jung und hatte wenig Geld. Die Olympischen Spiele von 1960 hatten die Stadt verändert, Durchzugsstraßen waren gebaut worden, viele kleine, häufig dreieckige, als unattraktiv geltende Grundstücke zurückgeblieben.

Für die Azumas aber war das die Lösung. Statt einer Wohnung kaufen sie einen Bauplatz, und 1966 entstand darauf das inzwischen berühmte Tower House, ein Einfamilienhaus auf einem Grundriss von 20 Quadratmetern. Diesem Gebäude widmete Karl-Heinz Klopf einen einstündigen Film gleichen Namens, der mehr ist als nur eine herkömmliche Architekturdokumentation. Tower House stellt einen Versuch dar, dem Geist des Hauses mit filmischen Mitteln zu entsprechen.

Kreisende Bewegungen, in denen Klopf die Details, die Blickachsen, aber auch viel unverputzten Beton erkundet, haben ihren Sitz im Leben in den Wendeltreppen, die im "Turmhaus" bis in das oberste Geschoß führen. Es wurde als Kinderzimmer genützt, die Tochter der Azumas durfte dort oben als "Prinzessin" leben. Und diese Rie Azuma ist nun auch in dem Film über das Haus, in dem ihr Leben begann und das ihr heute zur Gänze gehört, die wichtigste menschliche Präsenz - neben dem diskreten, unsichtbaren, sich den Geometrien des Gebäudes anverwandelnden Filmemacher. Rie Azuma erzählt aus dem Off die Geschichte des Tower House, die ansonsten nur durch sparsam eingesetzte Fotografie präsent ist - und durch die Spuren der Zeit in den Strukturen des Gebäudes.

Der Film ist ganz und gar eine "Einwohnung", um eine mögliche Übersetzung des Titels Inhabitations aufzugreifen, unter dem das Mumok ein Filmprogramm mit drei Arbeiten von Klopf zeigt. Tower House ist darin schon seiner Länge wegen der gewichtigste Beitrag, zugleich derjenige, der herkömmlichen dokumentarischen Formaten am nächsten ist.

Die beiden kürzeren Arbeiten sind deutlich experimenteller, die einminütige 60 Sekunden in den Farben meines Hemdes ist ein grafisches Spiel mit Farben und Chronometrie. In Studio eröffnet Klopf Zugang in seine Arbeitsräume in der Wiener Waschhausgasse. Er zeigt davon aber keine Bilder, sondern eine in ständiger virtueller Bewegung befindliche Architekturskizze, ein Gitter von Linien in niemals vollständig werdenden Kubaturen. In deren "Räumlichkeit" gibt sich das "Leben" des Künstlers durch E-Mail-Nachrichten zu erkennen, die in digitaler Schrift auf der Bildfläche erscheinen. Mit den acht Minuten dieses Films öffnet Klopf eine unvermutete Vielzahl von Welten: Wir werden durch die Nachrichten zu Mitgliedern einer Weltgesellschaft, die sich zwischen Delhi und London auch komplizierte Gedanken über Urbanität macht - ein zentrales Thema des Künstlers; wir werden aber auch in einen technologischen Moment eingebunden, der in vielfacher Hinsicht (die Nachrichtengrafik etc.) schon wieder historisch geworden ist; historisch im Sinne der rasanten Geschichtlichkeit im Zeitalter der Neuen Medien.

Wohnen im Wandel

Klopf erweist sich mit seinen Inhabitationen als wacher Beobachter der Veränderungen in den Bereichen Wohnen, Leben, Arbeiten. Eines Wandels, der nicht zuletzt durch die Expansion der Räume, hervorgerufen durch die fortschreitende Virtualisierung, bedingt ist. Das Tower House, in dem der Linoleumboden nie fertig zugeschnitten wurde, weil der Bauherr immer zu viel zu tun hatte, erweist sich als eine Schnittstelle mit weitreichenden Implikationen. Ein Esszimmer, in das man Gäste einladen hätte können, gab es im Grunde nicht, ebenso wenig ein Arbeitszimmer, in das man sich hätte zurückziehen können. In beiden Fällen dienten nahegelegene öffentliche Räume - ein Café, ein Restaurant - als Erweiterungen der Wohnung. Ein Konzept, das beinahe schon die digitale Boheme vorwegnahm. (Bert Rebhandl, Spezial, 6.6.2015)