Der Wahlkampf in Wien wird sich seitens der FPÖ um ein "Bettelverbot" und den "Asylmissbrauch" (Strache) drehen.

Was im Wahlkampf keine Rolle spielen wird: Die Zahl der Industriearbeitsplätze in Wien ist seit 1991 um 42 Prozent zurückgegangen. Nur 36 Prozent der Arbeitsplätze überhaupt sind hochqualifizierte. 33 Prozent der Volksschüler sind stark sozial benachteiligt (Durchschnitt in Österreich: acht Prozent). Diese Zahlen stammen aus einer Wifo-Studie von 2014 im Auftrag der Arbeiterkammer. Deren Fazit: Wenn Wien oben bleiben will, muss es sich viel mehr anstrengen.

Dieses Bild lässt sich grosso modo auf Österreich übertragen. Stichworte: viertes Jahr ohne Wachstum, Rekordarbeitslosigkeit, Rekordsteuern, Rekordschulden. Wirtschaftspolitik: Stillstand. Realitätsverweigerung. Kriechspur.

Aber die Regierungsparteien tun ja was: Sie ergehen sich in panischen Winkelzügen, in einer dummschlauen Taktiererei, um sich einer radikalen, regierungsunfähigen Partei anzubiedern.

Diese hilflose, erbarmungswürdige "Strategie" wird sich, nachdem der Damm einmal gebrochen ist, in rasender Eile durch den politischen Diskurs und dann in die Realität fressen. Ob am Ende die ÖVP oder die SPÖ mit der FPÖ im Bund eine Koalition macht und wer dann die handelnden Personen sind, ist fast egal. Entscheidend ist: Fast alle Energie geht in trübe Machtranküne, so gut wie keine in den Kampf gegen die wirtschaftliche und politkulturelle Absandelung.

"Fürchtet euch!", kann man den Bürgern, den intellektuell wachen und den anderen, nur zurufen. Euer immer noch beachtlicher Wohlstand und eure Seelenruhe in einem sicheren, lebenswerten Land sind in Gefahr. Es ist richtig, das war schon bisher der Fall. Die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP haben angesichts der Herausforderung dramatisch geänderter Verhältnisse großteils versagt. Kleine Ansätze zu Reformen gab es (eher in der ÖVP), aber sie verpuffen (wie derzeit die Steuerreform). Die SPÖ ist nach Meinung eines Insiders der Kreisky- Zeit schlicht "hin". Kein Personal, keine Ideen, kein Gestaltungswille.

Da will man nun eine rechtspopulistische, in Teilen rechtsextreme Partei in die Verantwortung "einbinden", die schon x-mal bewiesen hat, dass sie es nicht kann. Wirtschaftspolitische Reformen mit der FPÖ? Der Partei des "kleinen Mannes", die nichts als Geld verteilen will, allerdings nur an "unsere Leut"? Die perfekt im Schüren von Ressentiments ist, aber dort, wo man sie gottbehüte ans Steuer lässt, nur Megapleiten hinlegt?

Die Arbeitslosigkeit wird weiter steigen, der Staat wird die Nettozahler weiter belasten, der Wirtschaftsstandort Österreich wird weiter runtersandeln, und politisch starke Klientelgruppen werden weiter verwöhnt werden.

Der Wähler hat seinen teils berechtigen Sorgen in der Form Luft gemacht, wie er es immer tut: Er wählt die größten Krakeeler.

Im Interesse des Glaubens an die Menschheit wollen wir annehmen, dass nicht alle FPÖ-Wähler, nicht einmal die Mehrheit, wirklich die FPÖ an der Macht haben wollen. Sie wollen nur zeigen, dass sie Angst haben um ihren Lebensstandard und um ihre Lebensweise.

Leider wird dabei mit ziemlicher Sicherheit - wieder - ein ziemlicher Crash herauskommen. Die FPÖ wird an der Regierung beteiligt sein, wird vielleicht sogar Nr.1 und wird dann mit Maßnahmen herumfuhrwerken, die a) demokratiepolitisch gefährlich und b) wirtschaftspolitisch kontraproduktiv sind.

Das Abrutschen Österreichs wird dadurch beschleunigt werden. Dass die jetzigen Regierungsparteien, vor allem die SPÖ, unter ihrer jetzigen Führung, zu einer vernünftigen Politik finden, ist leider unwahrscheinlich. Also: Fürchtet euch. (Hans Rauscher, 5.6.2015)