Ceija Stojkas Texte, die ich die Ehre hatte, vor Publikum vorzutragen, erschlugen mit ihrer nüchtern einfachen Aufzählung unvorstellbarer Grausamkeiten, gepaart mit freudig emotionalen Schilderungen des Grases, das jenseits des KZ-Zaunes wuchs, des Leuchtens der Sonnenstrahlen auf dem kondensiertenWasser, das als Tropfen auf dem Stacheldraht hängenblieb, das die Kinder in den letzten Tagen vor ihrer Befreiung rettete.

Die beständige Angst, erschossen zu werden, sich beim Appell aus Gewohnheit mit dem eigenen Namen zu melden statt mit der Nummer, die ihr als neue Identität der identitätslos geknechteten Masse aufgezwungen worden war: Z für Zigeuner und 6399 für das Kind selbst. Das Spielen zwischen Leichen.

Die toten Kinder, die die Mütter unter ihren Röcken verbargen und mit sich trugen, damit man sie ihnen nicht wegnehmen konnte. Das war ihre Realität, die uns aus der sicheren Entfernung hinter sieben Schleiern zuwinkt, die uns überholt vorkommen könnte, zu oft erzählt, kein Kick mehr, keine Neuigkeit.

Dieser gebetsmühlenartig heruntergeleierte Spruch "Es muss endlich mal vorbei sein", gefolgt von "Geht mich nix an", ist so elend wie fehlgeleitet: Es geht nicht nur ums Vergessen der Vergangenheit. Es geht darum, dass solche Mechanismen spielerisch leicht auch in der Gegenwart stattfinden können.

Die Akteure wechseln, nicht aber die niederen Beweggründe, die dorthin führten. Es wäre im Interesse jedes einzelnen Menschen, solche Dinge nie in Vergessenheit geraten zu lassen, jedes Einzelnen außer jenen, die diese Geschichte auf Täterseite auch heute noch glorifizieren.

Daran sollten sich Politiker erinnern, wenn an mögliche Koalitionen gedacht wird. (Julya Rabinowich, 5.6.2015)