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James Hetfield im Büro. Große Gesten, große Wirkung – zumindest bei der Glaubensgemeinde von Metallica.

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Faith No More bei ihrer Blumenmesse. Weil: Auch Spaß muss ein. Sogar beim ansonsten sehr gestrengen Festival Rock in Vienna. Das läuft noch bis Samstag.

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Es war ein ganz normaler Tag im Büro. Gut, der Schreibtisch von Metallica steht jeden Tag woanders, die Arbeit aber, die bleibt dieselbe. Am Donnerstag wirkte der größte Heavy-Metal-Konzern der Welt auf der Wiener Donauinsel.

Vor ihm warteten an die 30.000 Bewerber für den Job des ergebensten Groupies. Dieses ist entgegen üblichen Klischees im Falle von Metallica meist männlich, oft tätowiert, gerstensaftig und/oder bei Mc-Fit geformt und trägt als Arbeitskleidung Jeansgilets.

Diese ärmellosen Westen lassen zwar die grimmigen Tätowationen am Oberarm sehen, sind aber etwas aus der Mode geraten. Deshalb besitzt diese Kluft oft eine gewisse Patina. Unterstützt wird diese von aufgenähten Glaubensbekenntnissen wie Iron Maiden, AC/DC, dem österreichischen Wappentier, Opel Corsa und eben Metallica.

Zehn Minuten zur Tränke

Metallica galten am Donnerstag von der Chronik des Ablaufs her als die Hauptattraktion des ersten Rock-in-Vienna-Festivals. Man kann sagen, es war hoch an der Zeit, so ein Festival in Wien auf die Beine zu stellen. Herrlich auf der Donauinsel gelegen, makellos organisiert und vor allem perfekt zu erreichen, nämlich öffentlich und mit einem nicht länger als zehn Minuten dauernden Fußweg bis zur ersten Tränke.

Dazu zwei Bühnen nebeneinander. Während die eine bespielt wird, wird auf der anderen umgebaut. Das ergibt nur wenige Minuten Pause zwischen den Bands, keinen ermüdend schwankenden Pendlerfußverkehr auf dem Gelände. Das Sommerwetter tat das seine, alles hätte perfekt sein können an diesem ersten der drei Tage Rock in Vienna. Wäre da nicht dessen Programm.

Die Sitzungsprotokolle von Metallica

Das wirkt wie von Ö3 zusammengestellt, wäre Ö3 ein härterer Rocksender. Formatrock, Punkrock aus der Schablone, Heavy Rock aus dem Vorstadtmuseum, Drei-Sterne-Metal.

Gut, zu Metallica pilgern noch 30.000 Ergebene, wenn diese bloß ihre Therapiesitzungstranskripte mit verteilten Rollen vorlesen. Das wäre eventuell sogar originell. Metallica aber schritten wie gewohnt zu Werke. Sieben Mal konnte man sie in den letzten zehn Jahren hierzulande erleben, zuletzt im Vorjahr. Da vermutet sogar der Laie, dass sich da nicht allzu viel Neues zwischen den Auftritten ereignet haben kann.

Heim zur Mutti

Metallica verzichteten auf großes Brimborium. Dargeboten wurde bewährtes Liedgut wie One, Disposable Heroes, Fuel, The Frayed Ends of Sanity, Damage Inc. ... – you name it. Hetfield durchmaß die Bühne breitbeinig wie immer, Ulrich hinten an der Budel gab sich aufgekratzt (wie immer), und um elf war es aus.

Die Gemeinde brüllte Zustimmung, krallte sich das diesjährige Tour-T-Shirt, dann schnell nach Haus zur Mutti: Metallica super, beste Band der Welt, Rest alles Trotteln, Bussi, gute Nacht. Bestätigungskultur ist auch Kultur.

Weniger absehbar war am ersten Tag bloß der Auftritt von Faith No More. Die Band gastierte vor 23 Jahren schon einmal auf der Donauinsel, damals zusammen mit Soundgarden im Vorprogramm von Guns N' Roses. Während Sänger Mike Patton 1992 kaum den Boden berührte, gab man sich beim heurigen Klassentreffen altersgemäß bodenständig.

Blumen aus dem Augarten

Patton, Gold, Bordin, Hudson und Bottum mögen allesamt graue Panter sein, dafür haben sie mehr Schmäh als das restliche Festival-Line-up zusammen. Schon die Bühnengestaltung wies sie als Fremdkörper im Programm aus. Ihre Dekoration wirkte, als hätte sie ein Florist aus dem Augarten gestaltet, das florale Farbenspiel hob sich von einem weißen Bühnenhintergrund ab, als Antithese zum dominanten Schwarz der anwesenden Metallurgen.

Die Garderobe des rüstigen Fünfers aus San Francisco bestand aus senffarbenen Trachtenhosen und Hemden wie Tischtüchern. Andreas Gabalier wäre ein Jauchzer entfahren, aber wohl nur, bis ihm Roddy Bottum ein Küsschen zugeworfen hätte.

Härte und Sanftheit

Der Musik von Faith No More wird man nicht mit einer oder zwei Schubladen gerecht. Von Crossover, Rap, Metal bis zu Easy Listening, Soul und Funk reicht die Bandbreite der Band. Vor allem Pattons Stimme trägt diese Vielfältigkeit, die sich am Donnerstag in ein Programm übersetzte, das aus Klassikern wie Epic, Ashes to Ashes oder Superhero und Songs des eben erschienenen Comeback-Albums Sol Invictus bestand.

Dazwischen verarschten Patton und Co Metallica und ihre Fans. Bottum stellte dem Publikum "heavy" und "hard" in Aussicht, und Patton intonierte Easy von den Commodores. Akustischer Streichkäse für die Raulederhosen in San Fran. Die wahre Härte benötigt oft die sanftesten Töne.

Das weitere Programm

Am Freitag geht Rock in Vienna mit den Operettenrockern Muse weiter, dazu gibt es Auftritte von Incubus und den Hives. Am finalen Samstag gastiert in Gestalt von Limp Bizkit die Generation Jackass bei Rock in Vienna, als Hauptact spielen Kiss. Wieder einmal. Eh super, aber selbst der beste Witz ist nur beim ersten Mal lustig. (Karl Fluch, 5.6.2015)