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Präsident François Hollande und Premier Manuel Valls vor dem Parteitag von Frankreichs Sozialisten: Die hohe Arbeitslosigkeit lastet auf der Landwirtschaft, dem Präsidenten – und der Partei.

Foto: Reuters / PHILIPPE WOJAZER

Es tanzt wieder ein Kongress. 200 Jahre nach dem Wiener Kongress wäre das geflügelte Wort auf den Parteitag der Parti Socialiste (PS) von diesem Wochenende anwendbar. Sogar zum Höhepunkt der Veranstaltung in Poitiers, dem Auftritt von Premier Manuel Valls am Samstag, würden sich die Delegierten wohl mehr für die Sportfinale der Champions League und von Roland Garros interessieren, meint ein Parteikader mit einem Hauch von Sarkasmus.

Der Parteitag selbst bietet wenig Kitzel: Eine Vorabstimmung hat Parteichef Jean-Christophe Cambadélis mit über 70 Prozent bereits im Amt bestätigt; und sein Mehrheitsantrag – der von Präsident François Hollande, Valls und Ex-Parteichefin Martine Aubry unterstützt wird – hat sich mit gut 60 Prozent gegen die aufständischen "frondeurs" von der Parteilinken (29 Prozent) durchgesetzt.

Alles verriegelt

Alles ist damit "verrouillé", das heißt zugeriegelt und abgeschottet. Ein Putsch, wie ihn François Mitterrand beim legendären Kongress von 1971 in Epinay gelang, oder ein Clash wie in Rennes 1990 ist damit vermutlich nicht mehr möglich. Die Genossen können also ruhig ein Fußball- oder Tennismatch verfolgen.

Die Angst vor einem Eklat am Parteitag grassierte vor allem im Élysée-Palast. Das Abstimmungsresultat täuscht darüber hinweg, dass Hollande in seiner eigenen Partei höchst umstritten ist. Das gilt für seine sehr realpolitische – das Linksblatt Libération nennt sie gar "kriegerische" – Diplomatie wie auch für seine Wirtschaftspolitik. Wegen der "frondeurs" in der Partei brachte die Regierung im Februar ein Gesetz zur Modernisierung der Wirtschaft, das sogenannte loi Macron, nur mit der Brechstange durchs Parlament.

Gegen "merkelfreundlichen" Kurs

Das wirkte in der Partei wie ein Schock. Um die Selbstzerfleischung zu stoppen, stimmten die 130.000 Sozialisten nun mehrheitlich für den Antrag des Hollande-Lagers. Die Stimmenthaltung in der Partei, die seit der letzten Präsidentschaftswahl massiv an Mitgliedern verloren hat, erreichte jedoch einen Rekordwert.

Die "camarades" segnen den sozialliberalen Wirtschaftskurs der Regierung nur sehr widerstrebend ab. Viele bezeichnen ihn als "merkelfreundlich", was auch eine gehörige Portion EU-Kritik birgt.

Das französische Nein bei der Abstimmung von 2005 zur EU-Verfassung klingt in der PS bis heute nach. Laut einer neuen Umfrage würden heute 62 Prozent der damaligen Stimmberechtigten ein "Nein" einlegen. Cambadélis, ein treuer "Hollandist", nahm deshalb in seinen Antrag einen Passus auf, der zur "Konfrontation mit der europäischen Rechten und vor allem mit der CDU/CSU" aufruft.

Hohe Arbeitslosigkeit

Das besänftigt die parteiinternen Abweichler aber keineswegs. Sie planen neue Aktionen für mehr "Ökosozialismus", wie ihr Abgeordneter Christian Paul meint. Sein Argument, Hollandes Politik habe bereits versagt, stößt in der Partei auf viel Zuspruch. Im April hat die Arbeitslosigkeit in Frankreich, wie diese Woche bekannt geworden ist, ein neues Rekordhoch erreicht. Dabei hatte Hollande schon für 2013 einen Rückgang der Zahl der über 3,5 Millionen "chômeurs" versprochen gehabt. Seine abgrundtiefe Unpopularität erklärt sich in erster Linie mit diesem Scheitern.

"Hollandes Kurs ist politisch tödlich", meint der Soziologe Michel Wieviorka, keineswegs ein Vertreter der Parteilinken. Der Präsident scheint fast noch als Einziger an seine Wiederwahlchancen zu glauben. Im kleinen Kreis debattieren die Sozialisten eifrig über die Frage, ob sie sich dem unbeliebten Präsidenten beugen und auf Primärwahlen verzichten müssten, wenn er nochmals antreten will. Hinter dem Staatschef warten Valls und Aubry, die sich in Poitiers beide feiern lassen werden. Offiziell ist die Präsidentschaftswahl von 2017 aber an diesem Parteitag so wenig präsent wie Hollande. (Stefan Brändle aus Paris, 5.6.2015)