Es gibt einen gültigen Beschluss des SPÖ-Bundesparteitags, wonach sich die Partei "klar gegen eine Koalition mit der FPÖ auf allen politischen Ebenen" ausspricht. An diesen Beschluss fühlt sich der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl offenbar nicht gebunden. Er will die Freiheitlichen im Burgenland in die Landesregierung holen und mit ihr eine Koalition eingehen. Den entsprechenden, Beschluss, die Koalitionsverhandlungen aufzunehmen, gaben Niessl und der burgenländische FPÖ-Chef Johann Tschürtz am Mittwochabend in Eisenstadt gemeinsam bekannt.

Das war überraschend schnell. Tatsache ist, dass sowohl die ÖVP als auch die SPÖ der FPÖ angeboten hatten, mit ihr eine Koalition zu bilden. Tschürtz hatte beim amtierenden Landeshauptmann zugesagt.

Die Bundespartei und viele Landesorganisationen, insbesondere die Wiener, sind wie vom Donner gerührt. Mit diesem Tabubruch desavouiert Niessl ganz offen SPÖ-Chef und Bundeskanzler Werner Faymann in Wien, der als einen seiner wenigen ganz fixen politischen Standpunkte immer wieder dezidiert betont hat, dass für die SPÖ eine Koalition mit der FPÖ nicht in Frage kommt.

Niessl bringt mit seiner Rochade den Kanzler und die gesamte Partei in einen bitteren Erklärungsnotstand. Für Michael Häupl, der als Wiener Bürgermeister im Oktober Landtagswahlen zu bestreiten hat, ist das schlichtweg eine Katastrophe.

Für FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der – wieder einmal – die Mutter aller Wahlschlachten zu einem Duell Strache gegen Häupl hochstilisiert, bedeutet die Koalition im Burgenland eine politische Aufwertung. Das Ausgrenzen, das die Freiheitlichen immer so beklagen, aus dem sie aber auch politisches Kapital geschlagen haben, ist zu Ende. Die FPÖ, so das Signal aus Eisenstadt, ist – auch für die SPÖ – in jeder Hinsicht ernst zu nehmen.

Für den Wahlkampf in Wien ist das aus sozialdemokratischer Sicht ein Fiasko, die Parteistrategen werden sich jetzt wohl eine neue Linie für den Wahlkampf überlegen müssen. Das kommt äußert ungelegen, trifft es die SPÖ doch in einer Phase der absoluten Schwäche. In der Steiermark ist die SPÖ auf 29 Prozent abgerutscht, bei den Landtagswahlen in Oberösterreich droht den Sozialdemokraten ein weiter bitterer Verlust – und das nur zwei Wochen vor der Wahl in Wien.

Strache wird das ein Hoch bescheren, diesen Rückenwind aus Oberösterreich kann er in Wien gut gebrauchen. Dass Niessl, wie er hinter vorgehaltener Hand den Genossen in Wien zu erklären versucht, die Freiheitlichen mit dieser Einbindung entzaubern will, ist für Häupl kein Trost. Bis zur Wahl in Wien wird im Burgenland keine Entzauberung stattfinden, im Gegenteil, die Freiheitlichen werden verantwortungsbewusst auftreten und ihren – zu Recht - schlechten Ruf als politische Schmuddelkinder, mit denen keiner spielen mag, reparieren können.

Niessl betätigt sich hier als Wahlhelfer von Strache und beschert der SPÖ eine Diskusion, die sie jetzt gar nicht brauchen kann. Wer weiß, das beschleunigt nach der Wahl in Wien, bei der der SPÖ ein sattes Minus droht, möglicherweise den Abgang von Häupl und den von Faymann gleich dazu. (Michael Völker, 3.6.2015)