Wien - "Gefragt ist lückenlose Aufklärung und Transparenz. Korruption hat im Sport keinen Platz." Das Einleitungsstatement, mit dem Sportminister Gerald Klug (SPÖ) am Dienstagnachmittag ein Hintergrundgespräch anlässlich der jüngsten Vorkommnisse beim Weltfußballverband Fifa eröffnete, wäre auch wenige Stunden später nicht anders ausgefallen. Schließlich ist mit dem angekündigten Rücktritt von Fifa-Präsident Joseph Blatter längst nicht alles erledigt. Sowohl die verwichene WM in Brasilien, als auch die kommenden Endrunden in Russland und Katar können gar nicht oft genug thematisiert werden.
Für Brasilien tat dies auf Klugs Einladung Ute Mayerhofer, Vertreterin von Nosso Jogo, einer im Vorfeld der WM geründeten Initiative für globales Fair Play. Brasilien 2014 war die teuerste Fußball-WM aller bisherigen Zeiten. Die Rechnung über mehr als 10,6 Milliarden Euro hatten zum größten Teil der Staat, hatten also die Brasilianer zu bezahlen, die Fifa, wie ihre Partner durch Anlassgesetzgebung von nahezu allen Abgaben befreit, kassierte mehr als vier Milliarden Euro – ebenfalls ein Rekord. Zurückgelassen hat sie eine Anzahl nicht weiter benötigter Stadien, deren Erhaltungskosten noch Generationen von Brasilianern zu tragen haben werden. Die Arenen in Manaus, Cuiabá, Natal und Brasilia sind jetzt schon Mahnmale der Megalomanie des internationalen Fußballs a la Fifa.
Kein Vergleich zwischen Russland und Katar
Schlimmer aber sind die Auswirkung der WM auf ärmere Bevölkerungsschichten. Bis zu 250.000 Menschen seien aufgrund der Neubauten und dem Ausbau der Infrastruktur zwangsumgesiedelt worden, sagte Mayerhofer. Im Zuge der Vertreibung gingen Arbeitsplätze, medizinische Versorgung und Bildungsmöglichkeiten verloren. Die WM leistete der Segregation, der Trennung von arm und reich im Land Vorschub. Eine Entwicklung, die sich, wenn auch auf eine bestimmte Region beschränkt, im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro fortsetzt.
Bezüglich der kommenden Weltmeisterschaften in Russland (2018) und Katar (2022) stehen abgesehen von ihrer Aufklärung harrenden Korruptionsvorwürfen das Leid der Arbeiter auf den WM-Baustellen im Vordergrund, wobei Marcus Strohmaier, der Internationale Sekretär des Österreichischen Gewerkschaftsbunds, nach Lokalaugenscheinen die Situation in Russland und Katar nicht für vergleichbar hält. In Russland gehe es vorwiegend um die geringen Löhne, die den vorwiegend aus Zentralasien kommenden Arbeitern bezahlt werden. Sie betragen im Monatsmittel nur 50 Euro. Laut russischer Gewerkschaft sind auch die Arbeitsbedingungen inakzeptabel, analog zu den Zustände auf den Baustellen für die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi. Staatschef Wladimir Putin schiebt die Verantwortung der Regierung zu.
Befürchtung: 4000 Tote bis zur WM
Eine ganz andere Kategorie, sagte Strohmaier, sind die Bedingungen, unter denen rund 500.000 Menschen, vorwiegend aus Nepal, Indien, Bangladesch und Pakistan für die Wüsten-WM in Katar arbeiten. Sie unterliegen zu einem Teil dem Kafala-System, einer Art Arbeitssklaverei. Arbeiter werden mit Versprechungen angeworben, gehen ihm Gastgeberland dann aber mit ihren Papiere auch ihrer Rechte verlustig. Vereinbarte Löhne werden nur zum Teil ausbezahlt. Dazu kommen katastrophale hygienische Zustände, winzige Unterkünfte, extreme Arbeitszeiten und mangelnde Versorgung. Bis 2013 sollen alleine 1300 nepalesische Arbeiter gestorben sein, viele an Herzstillstand in Folge extremer Dehydrierung. Im Schnitt sterben nach Angaben von Gewerkschafter Strohmaier Monat für Monat 45 Arbeiter auf WM-Baustellen. "Geht es so weiter, sind es bis zum Anpfiff dieser WM 4000 Tote."
Sanfter Druck der Fifa führte bisher nur zu marginalen Verbesserungen. Katar verweist auf die Zuständigkeit der engagierten Baukonzerne, kontrolliert diese aber bisher nur auf dem Papier. Strohmaier setzt große Hoffnungen auf Projektausführende, es gebe auch tatsächlich vorbildliche Arbeitgeber, Strohmaier nennt die österreichische Porr.
Klug nicht nach Baku
Das Fazit des Gewerkschafters ist allerdings, dass die WM in Katar gar nicht erst stattfinden dürfe. Minister Gerald Klug schließt sich dem im Prinzip an. "Für Katar wäre ein neues Vergabeverfahren wünschenswert." Eine WM in Russland abzuwenden, werde sich allerdings auch zeitlich nicht ausgehen. Möglichen Boykotten redet Klug wie gewohnt nicht das Wort. Sie träfe schließlich "in der Regel die Falschen, nämlich die Sportlerinnen und Sportler".
Die Frage der ethisch-moralischen Verantwortung seit intensiver als bisher zu stellen, "es geht nicht nur darum, die Interessen der Rechteinhaber und Sponsoren zu befriedigen." Demokratie, Umweltschutz und Sicherheit sollten als Vergabekriterien im Vordergrund stehen. Klug lobte in diesem Zusammenhand das Internationale Olympische Komitee (IOC), das sich mit seiner Agenda 2020 in diese Richtung bewege. Für einen olympischen Event, an dem demnächst mehr als 180 Sportlerinnen und Sportler aus Österreich teilnehmen, kam der gute Vorsatz wohl zu spät. Für die am 12. Juni in Baku, anhebenden Europaspiele des Europäischen Olympischen Komitees. In Aserbaidschan fühlte sich auch eine Blatter’sche Fifa pudelwohl. Minister Klug wird übrigens nicht nach Baku reisen. (Sigi Lützow, 3.6.2015)