Bern - Mittlerweile läuft er nach seiner Aufrüstung, die 27 Monate lang dauerte, bereits wieder seit einigen Wochen. Doch erst seit Mittwochfrüh wird am Large Hadron Collider (LHC) wieder richtig Physik betrieben, sprich: Es werden Daten gesammelt und ausgewertet. Nach mehr als zwei Jahren kollidieren am CERN wieder die Protonen - und sie tun es erstmals mit der noch nie dagewesenen Energie von 13 Tera-Elektronenvolt (TeV).

Der LHC werde nun während drei Jahren rund um die Uhr laufen, teilte das Teilchenforschungsinstitut CERN bei Genf mit. Damit können die Experimente nun wieder Daten sammeln, um neuen physikalischen Phänomenen auf die Spur zu kommen - die womöglich noch spannender sind als die Entdeckung des Higgs-Bosons im Jahr 2012.

Bis zu einer Milliarde Kollisionen pro Sekunde

Um 10.40 Uhr am Mittwoch verkündeten die Betreiber des Large Hadron Colliders (LHC) "stabile Protonenstrahlen". Dies war das Signal, dass nun wieder experimentelle Daten gesammelt werden können - erstmals bei einer Beschleunigungsenergie von 13 TeV, fast dem Doppelten dessen, was beim letzten Durchlauf aufgewandt wurde.

Die Protonenstrahlen bestehen aus Protonenbündeln, die mit annähernder Lichtgeschwindigkeit durch den 27 Kilometer langen LHC-Tunnel rasen. Am Mittwoch war der LHC mit sechs solchen Bündeln gefüllt, die jedes an die 100 Milliarden Protonen enthielten. Diese Rate soll fortlaufend auf 2.808 Bündel erhöht werden, was es dem LHC erlaubt, bis zu einer Milliarde Kollisionen pro Sekunde zu produzieren.

"Zeit für neue Physik"

"Es ist Zeit für neue Physik", schwärmte CERN-Generaldirektor Rolf Heuer in der Mitteilung. Der erste Durchlauf, der zum Nachweis des Higgs-Bosons geführt hat, sei dagegen nur der Beginn der Reise gewesen. Das Higgs-Boson war das letzte noch nicht entdeckte Puzzlestück im Standardmodell der Teilchenphysik, der Theorie, die sämtliche sichtbare Materie des Universums und ihre Wechselwirkungen erklärt.

"Lasst uns sehen, was uns die nun fließenden Daten über das Funktionieren unseres Universums erzählen werden", sagte Heuer. Mit dem nun gestarteten zweiten Durchlauf wollen die Physiker das Standardmodell weiter erforschen - und vor allem nach Physik suchen, die darüber hinaus geht.

Ungeklärten Phänomenen auf der Spur

Unter anderem hoffen die Forscher das so wichtige Ungleichgewicht zwischen Materie und Antimaterie zu verstehen. Wäre es nicht dazu gekommen, würden wir gar nicht existieren: Denn eigentlich sollten beim Urknall genau gleich viel Materie wie Antimaterie entstanden sein, die einander beim Zusammentreffen auslöschen hätten müssen.

Und natürlich ist auch die immer noch nicht enträtselte Dunkle Materie im Fokus, die laut dem Standardmodell der Kosmologie ein Viertel der Masse bzw. Energiedichte des Universums ausmachen soll: Eine Hypothese, für die es bislang nur indirekte Belege gibt. (red/APA, 3.6.2015)