Wien – Der Block 17 des Konzentrationslagers Auschwitz ist von Wien etwa 400 Kilometer weit entfernt, aber dennoch untrennbar mit der österreichischen Zeitgeschichte verbunden. Des Themas Entfernung haben sich die Ausstellungskurator Hannes Sulzenbacher und Historiker Albert Lichtblau bei der Neugestaltung der Österreich-Ausstellung im KZ Auschwitz-Birkenau angenommen. Gemeinsam mit Christiane Rothländer, Barbara Staudinger und Birgit Johler haben sie die Ausschreibung im vergangenen Jahr gewonnen. Das Konzept, das Martin Kohlbauer architektonisch umsetzen wird, wurde Dienstagabend im Wien-Museum präsentiert.

Es gehe darum, das "Binnensystem" Auschwitz darzustellen, erklärt Sulzenbacher im STANDARD-Gespräch. Geschehnisse, die in Österreich von Relevanz waren, hatten keinerlei Relevanz im Konzentrationslager, dort sei es nur um Überleben gegangen. "Der Heldenplatz-Jubel war für einen Auschwitz-Insassen bedeutungslos", sagt Sulzenbacher. Um diese Diskrepanz darstellen zu können, werden nur Gegenstände, die in Auschwitz existierten, als Objekt gezeigt. Alle anderen, die eben ihre Bedeutung aus dem österreichischen Kontext gewinnen, aber für die Einordnung der Geschichte notwendig sind, kann der künftige Besucher nur über den Bildschirm sehen.

Täterbiografien

Wichtig war für die Ausstellungsmacher, die Rolle Österreichs richtig darzustellen. In der alten Ausstellung, die 2013 geschlossen wurde, hing ein Transparent, in dem Österreich als erstes Opfer des Nationalsozialismus bezeichnet wurde. Erst kurz vor der Schließung wurde eine Zusatzinformation angefügt.

Nun sollen auch die Täter in der Ausstellung gezeigt werden. Hier wollen Sulzenbacher und Lichtblau die Täter- und Opferbiografien verschränken.

Auf Täterseite steht beispielsweise Fritz Ertl, Architekt und Mitglied der SS-Zentralbauleitung. Er war für den Bau der Baracken und der Krematorien in Auschwitz verantwortlich. Ihm gegenüber steht Ludwig Vesely, der Ende Dezember 1944 nach einem missglückten Fluchtversuch gehängt wurde. Der letzte Brief an seine Mutter wird gezeigt - und ihr letzter Brief an ihn. Die Post kam wieder retour, weil ihr Sohn nicht mehr am Leben war. Von beiden Männern sind für Sulzenbacher die Vor-, aber auch die Parallelgeschichten interessant. Am Ende treffen sich die Biografien im Konzentrationslager.

Das Gedenkprojekt Jan Kupiec, das vom Ausstellungsteam als Buch herausgegeben wird, verfolgt den gleichen Gedanken. Kupiec war ein polnischer KZ-Insasse, der nicht nur Auschwitz überlebte, sondern auch den Todesmarsch nach Österreich. Schließlich wurde er in Ebensee, einer Außenstelle des KZ Mauthausen, befreit. Das erste Stück Papier, das er nach Kriegsende in die Hände bekam, war eine Postkarte, erzählt Sulzenbacher. Während Kupiec in Ebensee auf Nachricht seiner Familie wartete, malte er seine Erinnerungen an die Vernichtungslager auf die Rückseite der Postkarten. Auf der einen Seite ist das Goldene Dachl in Innsbruck zu sehen, auf der Rückseite ein mobiler Galgen. "Österreich und Auschwitz sind nur durch das Blatt Papier getrennt", sagt der Projektleiter.

Die Österreich-Ausstellung endet 1945, so wie alle Länderausstellungen in Auschwitz. Das sind die Auflagen des Staatlichen Museums des Konzentrationslagers. Bis die neue österreichische Ausstellung aber zu sehen sein wird, dauert es noch bis Herbst 2017. Zuvor wird der Block 17 renoviert. (Marie-Theres Egyed, 3.6.2015)