Nicht einmal vier Kilometer Luftlinie liegt das G7-Gipfelschloss im deutschen Elmau von der österreichischen Grenze entfernt. Hinzu kommt: Nur wenige Tage nach dem Treffen der Staats- und Regierungschefs in Bayern konferieren im Tiroler Telfs die sogenannten Bilderberger, eine sich jährlich ändernde Gruppe einflussreicher Personen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Medien und Wissenschaft. Was das für die heimische Polizei bedeutet? Ausnahmezustand.

"Für Tirol handelt es sich um den größten und österreichweit um zumindest einen der größten Einsätze des Jahres", sagt Polizeisprecher Christoph Hundertpfund. Im Zeitraum zwischen 1. und 15. Juni - in welchem die beiden Veranstaltungen stattfinden sollen - werden in Tirol bis zu 2100 Beamte stationiert sein. Eine österreichische Kobraeinheit unterstützt die bayerischen Kollegen während des G7-Gipfels, drei Hundertschaften deutscher Polizisten stehen während der Bilderbergkonferenz in Grenznähe parat, geplant wird das länderübergreifende Sicherheitsspektakel angeblich bereits seit über einem Jahr.

Deutsche Grenzkontrollen

Spürbar ist der Großeinsatz in Tirol zumindest seit mehreren Tagen. Am Innsbrucker Hauptbahnhof ist man derzeit gefühlt von mehr Polizisten als Reisenden umgeben. Auch am Brenner wurden zusätzliche Beamte stationiert - österreichische und deutsche. Das Nachbarland hat darüber hinaus nun das Schengener-Abkommen vorübergehend ausgesetzt. Das bedeutet: Es gibt wieder Grenzkontrollen. In besonderen Fällen und mit der Zustimmung Brüssels sind Staaten dazu befugt. In Österreich so geschehen etwa während der Fußball-Europameisterschaft im Jahr 2008.

Offiziell will man dadurch verhindern, dass gewaltbereite Demonstranten einreisen. Was derzeit aber tatsächlich vor allem passiert: Es werden wesentlich mehr Flüchtlinge aufgegriffen, die sich auf der Durchreise Richtung Norden befinden.

Kosten für Steuerzahler

Schätzungen zufolge durchqueren auf der Route zwischen Italien und Deutschland täglich rund 120 Menschen auf der Flucht Tirol. Nach Angaben der Polizei wurden diese Woche Montag 31 "rechtswidrig eingereiste Personen" von Deutschland nach Österreich zurückgewiesen und 54 von Österreich nach Italien gebracht. "Es kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass sich bereits herumgesprochen hat, dass verstärkt kontrolliert wird und deshalb momentan andere Wege genommen werden", sagt Hundertpfund.

Die "Plattform Bilderbergproteste", die für 13. Juni eine Demonstration organisiert, kritisiert vor allem, dass die beiden Veranstaltungen in einem Einsatz zusammengefasst werden. Man müsse die Polizeikosten für das "Privattreffen der Bilderberger", das unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, getrennt vom G7-Einsatz verrechnen, fordern die Kritiker. Wie viel das Sicherheitsaufgebot den Steuerzahler schlussendlich kosten wird, sei derzeit noch unklar, heißt es aus dem Innenministerium. Dem Vernehmen nach wurden rund sechs Millionen Euro veranschlagt.

Beide Seiten gewappnet

Die Polizei argumentiert, dass der G7-Gipfel und die Bilderberg-Konferenz in einem "zeitlichen und örtlichen Näheverhältnis stehen", sodass Demo-Tourismus befürchtet werden muss - und man deshalb keine der Veranstaltungen isoliert betrachten kann. Proteste wegen Bilderberg-Treffen verliefen in der Vergangenheit zumeist ohne Ausschreitungen, in München rechnet die Polizei allerdings schon jetzt mit Krawall rund um den Gipfel.

"Wir müssen davon ausgehen, dass Demonstranten aus Bayern sich danach auf den Weg nach Tirol machen und darauf vorbereitet sein", sagt Einsatzsprecher Hundertpfund. Doch auch die andere Seite ist gewappnet: Auf der Homepage des deutschen Bündnisses "Stop G7" wird bereits die Nummer des kostenlosen rechtsanwaltlichen Journaldienstes geteilt, der Menschen berät, die Probleme mit der österreichischen Polizei haben. (Katharina Mittelstaedt, 3.6.2015)