Peter Wagner, Literat, Theater- und Filmemacher, lebt im Südburgenland.

Heidrun Primas leitet das Forum Stadtpark.

Foto: Forum Stadtpark

Helmut Konrad forscht in Graz.

Der Wahlkämpfer mit der kalten Schnauze

Peter Wagner über tierische Unterstützung

Nach einem obszön aufwendig geführten Wahlkampf, der das ganze Burgenland in ästhetische Geiselhaft genommen hat, steht für mich fest, dass nicht einmal dann Hans Niessl der Wahlsieger gewesen wäre, wenn er der Wahlsieger gewesen wäre. Gewonnen hätte dann diesen so absurd wie einfältig und brachial geführten Plakate- und Slogankrieg nicht die Grinsekatze, als die Niessl sich hat plakatieren lassen, sondern sein Hund Rico. Nicht dass Rico der einzige Hund gewesen wäre, auf den dieser Wahlkampf gekommen ist: Die Neos versuchten es gleich mit zwei, allerdings mit allzu tiefsinniger Metaphorik durchwirkt ("Frischer Wind statt alter Filz"), was dem Burgenländer nicht so zusagt wie das grundehrlich Menschliche. Und dieses sahen viele mit gutem Grund im Chihuahua Rico, der schon auf dem ersten Großflächenplakat des Landeshauptmannes, auf dessen Unterarm thronend, ins Antlitz des Betrachters lugte.

Und in der Tat: Während sich Niessl im Abkupfern ranziger Holperreime à la FPÖ übte ("Sicherheitsgarant fürs Burgenland"), stellte der Hund Rico, der als Einziger in diesem Wahlkampf nichts sagte, daher nichts behauptete, daher nichts versprach, das verblieben Menschliche dar. Dummerweise für die SPÖ hatte Rico weder das aktive noch das passive Wahlrecht.

Die Kluft zwischen Politik und Menschen

Heidrun Primas ortet demokratiepolitische Krise

Was immer gerne übersehen werde, sagt die Leiterin der Grazer Kulturinstitution Forum Stadtpark, Heidrun Primas, nach Bekanntwerden der ersten Hochrechnung: Nur zwei von drei Wahlberechtigten gehen auch tatsächlich wählen. Die niedrige Wahlbeteiligung sei ein Ausdruck der demokratiepolitischen Krise. Die Kluft zwischen Politik und Menschen werde größer, viele würden von der Politik nicht mehr erreicht. Viele junge Menschen fühlten sich im jetzigen System überhaupt nicht mehr repräsentiert. Abgeholt würden nur weniger spezifische Themen, im Fall der FPÖ "die Angst vor dem anderen, vor den anderen". So könne auch eine so blasse Figur wie FPÖ-Spitzenkandidat Mario Kunasek gewinnen.

Konkret auf die Steiermark bezogen, seien die Leute mit den Auswirkungen der Sparpolitik, aber auch mit den Reformen "alleingelassen worden". Es fehle an Transparenz, und es fehle an Auseinandersetzung mit den Menschen, analysiert Primas. Kurzum: Man hat nicht "auf Augenhöhe" mit den Menschen Politik gemacht.

Der Kultur- und Kunstbereich im engeren Sinn des Wortes, den Primas als Forum-Leiterin mit vertritt, sei im Wahlkampf überhaupt nicht vorgekommen. Hier ortet Primas bei den politischen Entscheidungsträgern in der Steiermark eine Haltung nach dem Motto: "Was brauchen wir das?" (neu)

Eine Stimme für die Fortsetzung der Reformen

Helmut Konrad hofft auf die "Vernunft"

Der Wahlkampf und damit der Wahlerfolg der FPÖ sei kein steirischer und auch kein österreichischer, sondern ein europäischer gewesen, sagt der Grazer Historiker und ehemalige Rektor der Karl-Franzens-Universität, Helmut Konrad, in einer ersten Reaktion auf das Ergebnis vom Sonntag.

Die Erosion der traditionellen Parteienlandschaft, der Aufstieg der Emotionen und die Mobilisierung rund um Begriffe wie Ausländer oder Heimat, Politik mit Ressentiments - das alles sei ein europäisches Phänomen. Schließlich heiße es ja auch "Frankreich den Franzosen", zieht Konrad im Standard-Gespräch eine Parallele zum Front National. Die Bundespolitik habe nur insofern in die steirischen Wahlen hineingewirkt, als dass im Bund ein Äquivalent zum steirischen Reformwillen gefehlt habe. Für viele sei die einzige Opposition "gegen die Wiener Politik" eben die FPÖ gewesen.

Trotz der herben Verluste von SPÖ und ÖVP plädiert der Wissenschafter nach der Abschaffung des Proporzsystems bei der Regierungszusammensetzung für eine Fortsetzung der Reformpartnerschaft, also für eine "eben nicht mehr ganz so große Koalition" von Rot und Schwarz. Er hoffe, dass nach dem Wahltag wieder "Vernunft" einziehe. Die Steiermark sei im Wesentlichen ja ein ökonomisch stabiles Land, irgendwann würden die Regierungsparteien dafür auch den politischen Lohn einfahren. (neu)