Martin O'Malley steigt ins Rennen um die Nachfolge von Barack Obama ein.

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Mit dynastischen Erbhöfen, weiß Martin O’Malley, haben Amerikaner – theoretisch jedenfalls – nicht viel am Hut. Um der Enge des alten Europa mit seinen gekrönten Häuptern und mächtigen Adelsgeschlechtern zu entfliehen, sind viele ihrer Vorfahren ja erst über den Atlantik gekommen. Es liegt auf der Hand, dass der Demokrat an die Urinstinkte seiner Landsleute appelliert, wenn er seine Bewerbung ums Oval Office mit einer flammenden Hymne auf die Ideale der Republik begründet.

Die Präsidentschaft sei keine Krone, die hin- und hergeschoben werde zwischen zwei Königsfamilien. Im Übrigen, wetterte der 52-Jährige zum Auftakt seiner Kampagne, "ließ der Chef von Goldman Sachs seine Beschäftigten wissen, dass er sowohl mit einem Bush als auch mit einer Clinton gut leben könnte". Damit ist klar, in welcher Rolle O’Malley sich sieht. Er will Hillary Clinton, die haushohe Favoritin seiner Partei, von links attackieren. Mit anderen Worten, er hofft auf ein Déjà-vu.

Hatte der Außenseiter Barack Obama 2008 damit gepunktet, dass die Senatorin Clinton den Einmarsch im Irak unterstützte, so porträtiert O’Malley sie sieben Jahre später als beste Freundin des Finanzadels. Der Ärger auf die Wall-Street-Banken, deren Exzesse die USA in die schwerste Rezession seit der Großen Depression trieben, ist noch immer nicht verraucht. Es bleibt ein Frustpotenzial, das auf der Rechten die Tea Party beflügelte und nun auf der Linken den Ruf nach Alternativen zu "Kronprinzessin Hillary" laut werden lässt. O’Malley versucht mit populistischer Schärfe daraus zu schöpfen, ähnlich wie der ergraute Senator Bernie Sanders, die Nummer drei des Kandidatenreigens. "Sage mir einer, wie es sein kann, dass du wegen eines kaputten Autorücklichts sofort angehalten wirst, aber unantastbar bist, wenn du die Wirtschaft gegen die Wand fährst", polemisiert er.

Lockere Hemdsärmeligkeit

Während Clinton bei ihren Auftritten um keinen Millimeter abweicht von einer exakt abgezirkelten Choreografie, um nur ja keine Angriffsflächen zu bieten, setzt ihr jüngerer Rivale auf lockere Hemdsärmeligkeit. Mit "O’Malley’s March", seiner Rockband, stand er zuletzt nur noch selten auf der Bühne, was sich im Wahlkampf allerdings ändern dürfte. Die Weichen, weiß er, werden bei den Vorwahlpremieren in Iowa und New Hampshire gestellt, und wer sich dort buchstäblich die Hacken abläuft, kann durchaus einen Überraschungscoup landen.

O’Malleys Achillesferse ist, dass er sich der dicht geknüpften Netzwerke der Clintons lange selber bediente, um voranzukommen. Bill half mit Kontakten zu betuchten Spendern, die seine Kampagnen finanzierten, als er in Ämter gewählt wurde, die er als Sprungbretter verstand: 1999 zum Bürgermeister von Baltimore, 2006 zum Gouverneur Marylands. Baltimore galt eine Weile als Beispiel eines gelungenen urbanen Comebacks, eine heruntergekommene Stahlmetropole, die sich im postindustriellen Zeitalter mit Finanzdienstleistungen, renommierten Krankenhäusern und dem Besuchermagneten eines imposanten Aquariums neu erfand. Doch als sich der junge Afroamerikaner Freddie Gray in einem Polizeitransporter das Genick brach und sein Tod heftige Randale auslöste, sah man, dass O’Malleys Erfolgsstory die Realität allenfalls ausschnittsweise widerspiegelte. Um die schwarzen Armenviertel am Innenstadtrand hatte sie einen großen Bogen gemacht. (Frank Herrmann aus Washington, 1.6.2015)