Österreich ist eine Kulturnation. Und bis vor kurzem waren wir uns doch alle -Banken, Honoratioren, Volk und Regierung - einig, dass das Bankgeheimnis zu unserer kulturellen Identität gehört. Waren wir nicht stolz darauf? Und haben wir nicht, weil wir nicht so sind, auch unsere ausländischen Gäste großzügig an diesem hohen Gut teilhaben lassen?

Ist es da nicht tragisch, dass Kulturbanausen von einem neuen internationalen Zeitgeist faseln und ausländische Kriminalisten und Steuerjäger zunehmend unseren Frieden stören?

Jahrelang haben wir in internationalen Foren wie die Löwen gekämpft und uns abwechselnd mit Gegenargumenten, Versprechungen und Junktimen verteidigt. Aber am Schluss war auf niemanden mehr Verlass - nicht auf die perfide OECD, nicht auf die ferne G 20, schon gar nicht auf die rabiaten Amerikaner und am Ende nicht einmal mehr auf die stille Europäische Union.

Und so schluckten wir schließlich die grausliche Krot, wie auch unsere großen kleinen Mitstreiter, die Schweizer und die Luxemburger. So leid es uns tut, werden wir damit unsere europäischen und amerikanischen Gäste nicht mehr vor ihren Steuerjägern schützen können. Aber Gott sei Dank interessieren sich die Internationalos wenigstens vor allem für ihre eigenen Leute und haben uns wenig zu sagen, wenn es um die übrigen Kontinente oder um uns selber geht.

Daher verstehe ich nicht, warum wir Österreicher plötzlich unsere Kultur vergessen und erlauben sollen, dass auch bei uns die Finanz ihre misstrauische Nase in unsere Privatangelegenheiten steckt. Nur weil das fast alle anderen Länder tun und weil wir sonst die Steuerreform nicht finanzieren können? Sind Nachmachen und Geldstreben denn einer Kulturnation würdig?

Leider glaubt auch bei uns so mancher Tollpatsch, dass es darum gehe, durch eine angemessene Handhabung der Konteneinschau öffentliches und privates Interesse unter einen Hut zu bringen. Themenverfehlung!

Honoratioren mahnen

Aber wenigstens unsere Honoratioren wissen noch, was wir uns schuldig sind, und mahnen die Beachtung von Werten und Umgangsformen ein.

Ja, es ist beleidigend, wenn der Fiskus auch uns, die vielen Ehrlichen, unter Generalverdacht stellt und womöglich unter Schwingen der Einschaukeule von uns mehr wissen will, als wir gerne geben. Muss sich da nicht berechtigter Widerstand regen? Mag schon sein, dass man auch auf Unis nicht nur auf Handschlagqualität setzt, wenn Diplome vergeben werden, aber sind wir denn Studenten?

Erfreulicherweise zeigt auch so mancher hartgesottene Vertreter von Rechtsstaatlichkeit und Transparenz in dieser wichtigen Frage Herz und Gemüt. Ja, die Kleinen werden das Opfer sein! Sozialrentnern will man nach deutschem Vorbild wildgewordene Finanzer auf die Fersen hetzen! Oma soll nicht mehr vererben dürfen, wem sie will! Und die Ausgaben für die Freundin sind womöglich nicht mehr Privatangelegenheit! Daher: Bitte lasst uns die Kultur!

Edith Kitzmantel war Generaldirektorin für Finanzkontrolle bei der EU-Kommission in Brüssel. (Edith Kitzmantel, 29.5.2015)