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Matteo Renzi, wortgewaltiger und gestenreicher Premier.

Foto: EPA/ANGELO CARCONI

Matteo Renzi hat die Bezeichnung selbst erfunden: Er nennt sie die "Impresentabili", also jene, die man nicht herzeigen kann. Gemeint sind etwa ein Dutzend Kandidaten für das Parlament der süditalienischen Region Kampanien, deren Leumund, gelinde gesagt, nicht über jeden Zweifel erhaben ist. Attilio Malafronte, einer der Kandidaten, trägt den Spitznamen "Calibro 12", seit in seiner Wohnung bei einer Anti-Mafia-Razzia eine Schusswaffe des besagten Kalibers sichergestellt wurde. Ein anderer ist ein bekennender Mussolini-Nostalgiker.

Zwar sollen sich auf den Wahllisten von Renzis Partito Democratico (PD) keine solchen "Unpräsentierbaren" befinden. In der Tat kandidieren "Calibro 12" und Konsorten für andere Parteien - doch diese unterstützen dann doch den linken Kandidaten des PD für das Regionalpräsidium, Vincenzo De Luca. Die Stimmen der Camorra und der Neofaschisten werden somit an die vom PD angeführte Koalition gehen.

Renzi und De Luca finden das zwar auch etwas genierlich, wollen aber nicht mit ihren dubiosen Partnern brechen: Bei Wahlen zählt eben jede Stimme.

Im Übrigen sind die Listen des PD keineswegs so sauber, wie Renzi beteuert. Ein Unpräsentierbarer ist nämlich De Luca selbst: Der "Sheriff von Salerno" - wie der Bürgermeister der Hafenstadt südlich von Neapel wegen seiner Null-Toleranz-Politik in Sachen Kriminalitätsbekämpfung genannt wird - ist wegen Amtsmissbrauchs in erster Instanz vorbestraft. Aufgrund eines Gesetzes, das auch Silvio Berlusconi die Ausübung öffentlicher Ämter verwehrt, könnte De Luca im Fall seiner Wahl das Amt als neuer Regionalpräsident gar nicht antreten: Regierungschef und Parteifreund Renzi müsste ihn suspendieren, bis die Gerichte ihr letztes Wort gesprochen haben. "Ein italienisches Delirium", bemerkte La Stampa zur Kandidatur des Polit-Haudegens De Luca.

Renzi kann zugute gehalten werden, dass er sich ursprünglich einen anderen Kandidaten gewünscht hatte. Doch der populäre De Luca, dem attestiert wird, Salerno gut regiert zu haben, hat die parteiinternen Vorwahlen klar für sich entschieden. Hätte Renzi De Luca aus dem Rennen genommen, wäre ihm vorgeworfen worden, die Beschlüsse der eigenen Parteibasis nicht zu respektieren.

Wichtiger Stimmungstest

Insgesamt passt die Sache schlecht zur politischen Wende, die der 40-jährige Renzi versprochen hat und nach wie vor bei jeder Gelegenheit beschwört.

Insgesamt wird am Wochenende in sechs weiteren Regionen gewählt: Toskana, Venetien, Ligurien, Marken, Umbrien und Apulien. Für Renzi sind die Regionalwahlen ein wichtiger Stimmungstest nach den sensationellen EU-Wahlen im Vorjahr mit 40,8 Prozent. Die Umfragen sehen den PD zwar auch heute vorne, allerdings längst nicht mehr so deutlich. Auch wenn er nicht zur Wahl steht: Renzi braucht tatsächlich jede Stimme. (Dominik Straub aus Rom, DER STANDARD, 30.5.2015)