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Tagungsort ist das einhundert Jahre alte Schloss Elmau in Bayern. Bei einem Großbrand im Jahr 2005 wurden große Teile zerstört, danach jedoch wieder originalgetreu aufgebaut.

Foto: REUTERS/Michael Dalder

Listig lugt der Karl unter seinem Kapperl hervor und grinst: "Güpfi? Jo wöchanen moanan Se jetzt? Mir hom do vühle scheene Güpfi." Dann zählt er auf: die Dreitorspitzen, Arnspitzen, der Hochwanner - alle mehr als 2000 Meter hoch, zum Teil noch schneebedeckt, ein Panorama wie im Prospekt.

"Nur an Güpfi homma, den braucht ka Mensch!", sagt er und schaut jetzt nicht ganz so strahlend drein wie die oberbayerische Gebirgswelt. Es ist der G-7-Gipfel, der am 7. und 8. Juni auf Schloss Elmau in der Gemeinde Krün, unweit der bayerisch-österreichischen Grenze, stattfinden wird. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ist als Vorsitzende der G-7-Gruppe Gastgeberin, sie hat die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten sechs Industriestaaten eingeladen.

Am Sonntag werden die Herrschaften mit Hubschraubern, aus München kommend, einschweben, um über die Weltwirtschaft, Flüchtlingsströme, Terrorismusbekämpfung und Ebola zu sprechen. Karl wird in seinem Wohnzimmer in Krün sitzen und sie vielleicht mal kurz im Fernsehen erblicken. Das reicht ihm auch. Denn, dass hoher Besuch kommt, merkt er schon seit einem Jahr. "Wir können es nicht mehr hören, immer nur Gipfel, Gipfel, Gipfel", raunzt er. "Das ist doch ein Wahnsinn. Was das kostet!" Und, der Pensionswirt gibt es auch offen zu: "Ich hab ein bisserl Angst."

Natürlich nicht vor US-Präsident Barack Obama oder Frankreichs Staatspräsident François Hollande - aber vor "dem schwarzen Block". Weil so ein Gipfel hat ja oft auch eine bisweilen recht schrille Begleitmusik. Ein großes Bündnis von Gegnern will in München und im nahen Garmisch-Partenkirchen demonstrieren. Zudem ist aus jenen kleinen Gemeinden, die das Schloss Elmau umgeben, ein Sternmarsch zum noblen Domizil geplant.

Da wird auch in Krün was los sein. Gegen die angemeldeten Demonstrationen hat Karl ja auch gar nichts. Doch der Mittfünfziger erinnert sich mit Schaudern an die Eröffnung der neuen EZB-Zentrale in Frankfurt am 18. März. Bei den Protesten von "Blockupy" hatte es massive Ausschreitungen gegeben. Autos brannten, Steine folgen auf Polizisten. 2007, als Merkel - damals noch die G-8-Gruppe mit Russland - ins Ostseebad Heiligendamm geladen hatte, da war es Rostock auch zu Straßenschlachten gekommen.

So was braucht Karl vor seiner schmucken Pension mit der schönen Lüftlmalerei nicht. Also hat er was ganz Schlaues gemacht: "Als die von der Gemeinde fragten, wer Polizisten aufnehmen will, hab ich mich gleich gemeldet." Jetzt ist sein Haus voller Polizei. "Da wird hoffentlich nix passieren", sagt er.

19.000 Polizisten im Einsatz

Die Polizei, das ist natürlich ein ganz eigenes Thema. Ein gigantisches Heer an Uniformierten ist bereits im Tal, jeden Tag werden es mehr. 19.000 sind schließlich im Einsatz. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ist ein paar Mal nach extra nach Krün gekommen, um die Bevölkerung zu beruhigen.

Doch auch er gibt zu, dass die Topografie Bayerns die Sicherheitskräfte vor größere Herausforderungen stellt als 2007 die Polizei an der Ostseeküste: "Dort gab es durch das platte Land zwar eine leichte Aufmarschfläche für Demonstranten, es war aber andererseits auch leicht überschaubar. In Elmau ist es anders: Unwegsames Gelände, gebirgig, dicht bewaldet und unübersichtlich."

"Niedrige Einschreitschwelle"

Aber grundsätzlich, so Herrmann habe vor allem die bayerische Polizei alles im Griff. Einsatzleiter Robert Heimberger versichert im Focus ebenfalls: "Gegen gewaltbereite Personen werden wir konsequent und mit niedriger Einschreitschwelle vorgehen."

Auch Melanie Fuchs beruhigt täglich besorgte Anwohner. Sie arbeitet im Bürgerbüro der Polizei, das vor einigen Wochen in Krün eingerichtet wurde. "Die Leute wollen vor allem zweierlei wissen", sagt sie. "Wann sind welche Straßen gesperrt, und wer kommt für eventuelle Schäden auf."

Fuchs erklärt dann geduldig, dass der Freistaat Bayern zahlen wird - und dass sich Anwohner grundsätzlich frei bewegen werden können. Aber dass es Ausnahmen geben wird. Weil man ja nicht alles planen könne.

Unwägbarkeiten und Entscheidungen, die in letzter Minute wieder umgestoßen werden, beschäftigen auch das Personal im Schloss Elmau. Es liegt ein wenig außerhalb von Krün, auf einer Anhöhe. Das Wettersteingebirge dahinter ragt wie eine Kulisse in die Höhe, man kann nicht sagen, dass das kein imposanter Anblick ist.

Im gediegenen Inneren mit all den Spas und Suiten, Kaminstuben, Lounges und Pools, den dicken Teppichen und der dezenten Klaviermusik empfängt Managerin Naomi Jödicke: "Wir empfinden es als große Auszeichnung, dass dieses Treffen bei uns stattfindet. Um so etwas bewirbt man sich nicht. Man wird auserkoren."

Acht gleich große Suiten

Merkel war vor Jahren einmal privat im Schlosshotel auf Urlaub. Es hat ihr dort so gut gefallen, dass sie jetzt mit größerem Gefolge wiederkommt. Platz genug gibt es. "Wir sind weltweit das einzige Luxushotel, das acht gleich große Suiten hat", sagt Jödicke. Da hätte sogar Wladimir Putin noch Platz.

Doch wer wo schlafen wird, ist noch offen. Obama kann sich also in letzter Minute entscheiden, ob er lieber im Haupthaus oder im Nebengebäude nächtigen will. Alle Wünsche sind hier Befehl.

Die Rechnung begleicht anschließend die Bundesregierung. Insgesamt lassen sie und die bayerische Landesregierung sich den Gipfel 130 Millionen Euro kosten. Da ist auch der 16 Kilometer lange und drei Meter hohe Sicherheitszaun drin, der das Schloss seit neuestem umgibt - und die Hubschrauberlandeplätze, die ins Naturschutzgebiet, wo die Steinadler brüten, betoniert wurden.

Und auch die schönen neuen Bänke und Wartehäuschen am Bahnhof im Ortsteil Klais. In dem gibt es am einzigen Schalter noch braun-geblümte Vorhänge aus den Siebzigerjahren und einen eher betagten Stationsvorsteher, der auch Kaffee und Zeitungen verkauft. Man mag sich gar nicht vorstellen, dass an diesem Zwergenbahnhof aus dem bayerischen Bilderbuch vermummte Demonstranten ankommen.

Apropos Demonstranten. 1800 haben sich schon für das Protestcamp auf einer Wiese bei Garmisch angemeldet. Doch die Behörden haben es - wegen Hochwassergefahr - nicht genehmigt. Die Organisatoren klagen sich nun durch die Instanzen und suchen zugleich nach Ausweichplätzen.

Aber das ist nicht so einfach, da von unzähligen Politikern der Appell an die Landwirte der Region ergangen ist, den Gegnern des Gipfels keine Flächen für ihre Zelte zur Verfügung zu stellen. (Birgit Baumann aus Krün, 30.5.2015)