Jewgeni Grischkowez kann von Papier einfach nicht genug kriegen und hat dabei die Lacher des russisch- wie auch deutschsprachigen Publikums auf seiner Seite: "Eine Bitte an die, die Russisch verstehen: Warten Sie mit Lachen auf die Übersetzung."

Foto: Viktor Dmitriev

Wien – Liebe Leser, was stellen Sie mit Ihrer Zeitung sonst so an? Fliegen erschlagen? Gläser einwickeln? Hamsterkäfige auslegen? Hinterlassen Sie darauf Kaffeetassenränder? Notizen? Oder speicheln Sie sie zu kleinen, klebrigen Geschossen ein?

Liebe Leser, was machen Sie sonst noch so mit Ihrem PC? Notebook? Tablet? Smartphone? Das soll Sie nicht zu einem Print-Abo überreden. Dennoch: Gute Argumente für Papier!

Noch bessere liefert Jewgeni Grischkowez in seinem Monolog Abschied vom Papier. Als verlustreich rufen der Russe und Live-Übersetzer Stefan Schmidtke ihn dem Festwochen-Publikum ins Bewusstsein. Federkiele, Löschblätter und gute Gedichte als Beiwerke des Papiers seien der Welt schon abhandengekommen – jetzt geht‘s an‘s Eingemachte.

Mit dem 2000 Jahre alten Beschreibgrund, so zieht der Erzähler seine Kreise vom Schließen der letzten Fabrik für mechanische Schreibmaschinen (in Delhi 2010) bis hin zu 1000 Jahre alten Liebesbriefen auf Birkenrinde, stürbe auch das Kritzeln und damit Fantasie. Mit der E-Mail verlerne man das Warten. Mit Druckbuchstaben gehe ein Universum autographischen Charakter- und Gefühlsausdrucks verloren, das in einem einzigen Zug Handschrift – klar, zittrig, überlegt oder eilig auf Papier gesetzt – steckt. Dem Ereignis eines Telegramms und der Bedachtsamkeit eines Briefes stellt er die Beiläufigkeit einer SMS gegenüber.

Und wird dann die Autorität und Chance eines unberührten, reinen Blattes gegen die Niederschwelligkeit einer Löschen-Taste ausgespielt, kann dabei – Sentimentalität hin, Kulturpessimismus her – sogar nostalgisch sein, wer die analoge Zeit selbst nur peripher erlebt hat. Ein emphatischer Nachruf, eine famose Liebeserklärung! (wurm, 29.5.2015)