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Die Nebenwirkungen der Euro-Geldpolitik bekommt nun auch der Europäische Schutzschirm zu spüren. Im Bild: der Verantwortliche, EZB-Präsident Mario Draghi.

Foto: reuters/pfaffenbach

Berlin – Dem Euro-Rettungsschirm ESM drohen wegen der niedrigen Zinsen auf sichere Geldanlagen wie deutsche und österreichische Staatsanleihen Verluste. Laut Reuters am Freitag vorlegenden internen ESM-Unterlagen steckten Ende März bereits 52 Prozent der ESM-Gelder in Papieren mit negativer Rendite fest. Um Verluste zu vermeiden, will der ESM seine Anlagenrichtlinien lockern: Er könnte dann in Papiere investieren, die eine höhere Rendite abwerfen, aber auch größere Risiken bergen. Bei den angelegten ESM-Geldern handelt es sich um rund 80 Milliarden Euro, die die Euro-Staaten als Grundkapital in den 2012 gegründeten Fonds eingezahlt haben. Aus Österreich sind gut zwei Milliarden Euro geflossen.

In einem Reuters vorliegenden vertraulichen Schreiben bittet das deutsche Finanzministerium den Haushaltsausschuss des Bundestags, der Änderung der ESM-Anlagerichtlinie zuzustimmen. Hintergrund sei, dass Renditen der Vermögenswerte, die der Fonds derzeit erwerben dürfe, "zunehmend niedrig bzw. negativ" seien. "Dies kann zu Verlusten auf das eingezahlte Kapital führen", warnt das Ministerium die deutschen Abgeordneten.

Den ESM-Unterlagen zufolge drohen die negativen Renditen den für dieses Jahr erwarteten ESM-Gewinn um etwa 31 Millionen Euro und 2016 um 24 Millionen Euro zu mindern, sollten die vom ESM gekauften Wertpapiere bis zur Fälligkeit gehalten werden. Um die Auswirkungen der niedrigen Zinsen zu verringern, hat der Fonds eigenen Angaben zufolge seinen Bestand an Anleihen mit extrem niedrigen Renditen bereits abgebaut. Das reicht aber wegen der Beschränkungen der Anlagerichtlinie nicht aus. Die ESM-Spitze hat deshalb am 20. Mai eine Lockerung der Anlagerichtlinie auf den Weg gebracht. Das deutsche Finanzministerium würde der Änderung gerne zustimmen, braucht dazu aber grünes Licht vom Bundestag.

Riskantere Papiere

Konkret will der ESM zum Beispiel die Erlaubnis erhalten, einen größeren Teil seines Grundkapitals in Papiere staatlicher Behörden aus Nicht-Eurostaaten anzulegen. Zudem soll die Mindestanforderung an die Bonität einiger Papiere um eine Note von AA auf A sinken. Nach Darstellung des ESM hätten diese Änderungen nur geringe Auswirkungen auf die Qualität des Portfolios.

Mit seinen Renditeproblemen reiht sich der ESM ein in eine lange Schlange von Investoren, die wegen der Minizinsen an den Kapitalmärkten händeringend nach neuen Anlagen suchen. Dazu zählen Versicherungen, Renten- und Pensionsfonds und andere auf Sicherheit ausgerichtete Anleger. So wirft eine zehnjährige deutsche Bundesanleihe derzeit auf dem Markt nur eine Rendite von 0,5 Prozent ab. Im Fall des ESM kommt allerdings hinzu, dass die Zinsen in Europa nicht zuletzt wegen der Schuldenkrise so niedrig sind – damit holen die Probleme die Eurostaaten beim ESM selbst ein. (Reuters, 29.5.2015)