Ankara/Athen - So viel ist in der Türkei schon lange nicht mehr "eröffnet" worden: Flughäfen, Spitäler, eine Moschee. Landauf, landab, jeden Tag und manchmal auch mehrmals, mit tausenden von Zuschauern und dem Staatspräsidenten als Hauptredner, flankiert von Ehefrau, Ministern und Bürgermeistern. Nevsehir und Aksaray in Zentralanatolien standen allein am Donnerstag auf dem Programm.

Weil die türkische Verfassung dem Präsidenten eine überparteiliche Amtsführung auferlegt, bedient sich Tayyip Erdogan eines Tricks: Eröffnungsfeiern mit Massenpublikum und Fernsehkameras statt gleich eine Wahlkampfveranstaltung seiner konservativ-islamischen AKP. "Wenn jemand eine Dose aufmacht, kommt er auch", lästerte nun Selahattin Demirtas, der Co-Vorsitzende der Kurden- und Linkspartei HDP.

AKP sackt ab

Erdogan habe die Zahl seiner Wahlkampfauftritte noch erhöht, weil die AKP in Umfragen auf 40 Prozent absackt, behaupten türkische Kommentatoren. Dabei hat der Staatschef an der Parlamentswahl am 7. Juni selbst ein vitales Interesse: Erreicht seine Partei nicht das Quorum im Parlament, das für eine Verfassungsänderung notwendig ist, wird Erdogan auch kein Präsidialsystem nach Maß bekommen. Der Verstoß gegen das Neutralitätsgebot des Präsidenten wird sicherlich von den Wahlbeobachtern der OSZE kritisiert werden. Ob es Erdogan stört, ist eine andere Frage. Er hat auch die zweite Gerichtsentscheidung zur Illegalität seines neuen Präsidentenpalasts weggesteckt. (mab, 28.5.2015)