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Das Projekt Semmering-Basistunnel.

Grafik: apa

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Die frühere steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic bei einer Sprengung im Pilotstollen 1997.

Foto: apa/Alfons Kowatsch

Wien – Nach dem Urteil ist vor dem Urteil: Das Bundesverwaltungsgericht hat den Tunnelbauern der ÖBB und deren Eigentümern im Verkehrsministerium einen wichtigen, möglicherweise den entscheidenden Etappensieg beschieden: Die Beschwerden der Anrainer, Naturschützer und Tunnelgegner gegen insgesamt sieben Wasserrechts-, Naturschutz- und Deponiebescheide sowie die Umweltverträglichkeitsprüfung samt eisenbahnrechtlicher Genehmigung für den neuen Semmering-Basistunnel wurden abgewiesen, respektive unter (bereits früher verhängten) Auflagen genehmigt.

So müssen Filter- und Sicherungsbecken regelmäßig auf ihren Gehalt an Blei, Kupfer, Chrom, Eisen, Nickel und andere Schwermetalle untersucht werden. Auch die Abdichtungsmaßnahmen zum Schutz des Wasserhaushalts des "Zauberbergs" müssen intensiviert werden. Ansonsten steht dem Baubeginn für den Tunnel nichts mehr im Weg.

Beschwerden abgewiesen

Denn alle anderen Beschwerden hat das Bundesverwaltungsgericht abgewiesen. Den Kern der Argumente der Tunnelgegner, der volkswirtschaftliche Nutzen des auf mehr als drei Milliarden Euro taxierten, 27 Kilometer langen Tunnels zwischen Gloggnitz und Mürzzuschlag sei nicht plausibel nachgewiesen, greift der Senat unter Vorsitz von Richter Werner Andrä nicht an.

Im Gegenteil, er attestiert dem von den Kritikern beigebrachten Gutachten des deutschen Planungsbüros Vieregg-Rössler "fachliche Mängel" – ohne selbige im Detail aufzulisten. Stattdessen verweist Andrä in dem 97-seitigen Beschluss des Richtersenats, der dem STANDARD vorliegt, zur Untermauerung des von den Tunnelbauern behaupteten unbestrittenen öffentlichen Interesses auf die Transeuropäischen Netze der EU: Das Ermittlungsverfahren habe ein "evidentes öffentliches Interesse dokumentiert", schreibt der Richter. "Auch mit dem Vorbringen, wonach die Verkehrsprognosen mangelhaft und insbesondere zu hoch angesetzt seien, gelingt es den Beschwerdeführerinnen nicht, das öffentliche Interesse am verfahrensgegenständlichen Vorhaben in Zweifel zu ziehen." In der Folge wird unter Bezug auf Einreichunterlagen, Projektbegründung und Alternativen betont, dass "der Bau von Hochleistungsinfrastruktur einen positiven Schub für strukturschwache Regionen bewirkt".

Öffentliches Interesse

Ob die zuletzt beigebrachten Gutachten inhaltlich geprüft wurden, erschließt sich aus dem Spruch nicht. Die 2014 vom emeritierten TU-Verkehrswirtschaftsprofessor Hermann Knoflacher erstellte Expertise, in der die von der ÖBB erwarteten Steigerungen im Güterverkehr als unrealistisch beurteilt wurden, kommt gar nicht vor. Stattdessen bemängelt das Gericht das alte Knoflacher-Gutachten aus dem Jahr 2000 als veraltet. Das hatte bereits 2013 der Verwaltungsgerichtshof getan, weshalb nun ein neues erstellt wurde. Beeindruckt zeigte sich das Gericht davon nicht, es attestiert, vereinfacht ausgedrückt, dass die Verkehrsprognosen im Prinzip irrelevant seien, weil das öffentliche Interesse ohnehin gegeben sei.

Irrelevant ist der Nachweis des öffentlichen Interesses nur für die Umweltverträglichkeitsprüfung, nicht aber für die zugleich abgeführte Eisenbahnrechtliche Prüfung. Entsprechend enttäuscht reagierte der Anwalt der Tunnelgegner, Andreas Manak. Er kündigt Revision beim Verwaltungsgerichtshof an.

Ob mit dem Spruch zugunsten der Tunnelbauer auch wirklich gut wird, was lange währte, wie der steirische ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer nach Veröffentlichung des Spruchs des Bundesverwaltungsgerichts via Aussendung verkündete, wird die Geschichte zeigen. Die Bahn darf jetzt jedenfalls ungestört bauen. Selbst wenn der Verwaltungsgerichtshof den Tunnelgegnern Recht geben sollte und den Bescheid aufhebt, würde ein Baustopp erst ein Jahr später in Kraft treten (Paragraf 31h Eisenbahngesetz). Das Ministerium könnte in der Zeit einen neuen Bescheid erlassen.

ÖBB zuversichtlich

Die ÖBB will nun "so schnell wie möglich" mit den Bohrungen zweier Schächte beginnen. Die Vergabe für das Baulos Gloggnitz – das erste von insgesamt dreien – steht noch heuer an. Umstritten, auch unter den Bauingenieuren der ÖBB, sind die Angriffe beim mittleren Baulos ("Fröschnitzgraben"), von wo aus zwei 400 Meter tiefe Schächte nach unten gebohrt werden, um von einer Höhle aus Anfang 2017 Richtung Gloggnitz und Mürzzuschlag zu bohren, um die Arbeiten von den Tunnelportalen aus zu beschleunigen. Man sei "überzeugt, dass es nur Gewinner gibt", hieß es bei der ÖBB unter Hinweis auf 30 Minuten Fahrzeitgewinn auf der Fahrt von Wien nach Graz.

ÖBB-Holding-General Christian Kern sieht für den "bahntechnisch" stiefmütterlich behandelten Süden eine goldene Zukunft. Man könne mit deutlich mehr Fahrgästen rechnen". 700 Quadratmeter Pläne, 10.000 Seiten Texte und 32 externe Gutachter – "besser und intensiver kann man sich nicht vorbereiten". (ung, 28.5.2015)