Wien - Melden sich jugendliche Mindestsicherungsbezieher unter 25 Jahren in Wien nicht beim AMS oder nehmen Unterstützungsangebote nicht an, müssen auch sie ab sofort mit Sanktionen wie etwa der schrittweisen Kürzung der Bezüge rechnen. Denn derzeit seien rund 10 Prozent der Bezieher zwischen 15 und 25 Jahren nicht beim AMS gemeldet, schilderte Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) am Mittwoch.

Bisher blieb das für die rund 2.000 Personen folgenlos, nun wolle man an sie herantreten und zunächst einmal Unterstützung anbieten, so Wehsely im Zuge der Präsentation des dritten Wiener Sozialberichts. Werde diese Hilfe jedoch nicht angenommen, gebe es ab sofort Konsequenzen ähnlich jenen, die bei Erwachsenen Beziehern der bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) bereits in Kraft sind. So müssen nun auch Jugendliche etwa mit einer schrittweisen Kürzung der Bezüge rechnen.

Rund 22.500 Bezieher unter 25 Jahren

Grundsätzlich beziehen derzeit 22.500 Wiener unter 25 Jahren Mindestsicherung, ihre Zahl ist im Steigen - vor allem was den langfristigen Bezug betrifft. Daher will sich Wehsely dieser Gruppe künftig besonders annehmen: Ab Herbst soll etwa die Beratung bei AMS und BMS an einem Ort gebündelt werden: Unter dem Titel "Jugendunterstützung" erhalten Jugendliche soziale, finanzielle und arbeitsmarktpolitische Betreuung unter einem Dach.

Zudem plant die Stadträtin mehr Beschäftigungsplätze für Jugendliche, besonders wenn diese nur Pflichtschul- oder gar keinen Abschluss vorweisen können. Ziel sei es, passive Mittel wie Arbeitslosengeld oder Mindestsicherung in aktive Mittel - also etwa Geld für Beschäftigungsprojekte - umzuwandeln, erklärte die Ressortchefin. Auch wenn das bedeute, vielleicht sogar mehr Geld in die Hand nehmen zu müssen.

Beschäftigung statt Geldleistung

Dabei stehe auch das Prinzip Sach- vor Geldleistung im Vordergrund, weshalb Wehsely auch ein neues Leistungsrecht bzw. einen neuen Umgang mit Jugendlichen in der BMS forderte. "Junge Menschen müssen sofort ein Angebot erhalten. Sie müssen einen Lebensunterhalt haben, der soll aber nicht Mindestsicherung, sondern Beschäftigung sein", betonte sie. Denn derzeit würde meist das Gegenteil passieren: Zunächst erhalten Jugendliche Geldleistungen und müssten sich dann selbst um eine Arbeit bemühen. Daher wolle man nun eine Umkehr des Systems, bekräftigte auch Peter Stanzl, Leiter der Sozialplanung in der MA 24.

"Wir können eigene Regeln oder für die Jugendlichen ein gänzlich eigenes System schaffen", erklärte Wehsely. Ihr wäre die zweite Variante lieber, das sei aber auch Sache des Bundes, verwies die Stadträtin auf die derzeit laufenden Gespräche zur Verlängerung der 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern. Die Harmonisierung der BMS reiche jedenfalls nicht aus, es brauche eine Weiterentwicklung, betonte sie.

Eine besondere Gruppe stellen junge Asylberechtigte dar, also Menschen die erfolgreich in Österreich Asyl beantragt haben. Ihre Zahl steige derzeit - vor allem aufgrund des Kriegs in Syrien - deutlich an. Obwohl sie häufig gut qualifiziert seien, scheitere der Einstieg in den Arbeitsmarkt vor allem an den fehlenden Deutschkenntnissen. Hier will Wehsely einhaken, wobei sie vor allem auch Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) in die Pflicht nahm. "Da erwarte ich mir auch von Bundesseite, vor allem vom Integrationsminister, Unterstützung."

Rund 160.000 Bezieher Wienweit

Aber nicht nur die Zahl der jugendlichen Mindestsicherungsbezieher steigt: Insgesamt haben laut Sozialbericht 2014 rund 160.000 Menschen in Wien BMS erhalten. Davon stehen nur knapp 40 Prozent (59.000 Menschen) dem Arbeitsmarkt grundsätzlich zur Verfügung. Die meisten Menschen, gut 73 Prozent, erhalten allerdings keine vollen Bezüge, sondern nur Ergänzungsleistungen zur Aufstockung anderer Einkommen. Einen Anstieg gibt es laut Wehsely vor allem seit dem zweiten Halbjahr 2014: Deshalb will die Ressortchefin nun auch die Mittel für die Mindestsicherung aufstocken. Über einen Antrag an den zuständigen Gemeinderatsausschuss sollen zusätzlich 50 Millionen Euro bereitgestellt werden.

Unmut beim Koalitionspartner

Bei den Wiener Grünen kam das Ansinnen Wehselys gar nicht gut an. Auch die Opposition zeigte sich in Aussendungen wenig erfreut, Beifall kam hingegen aus dem Sozialministerium.

"Verschärfte Sanktionsmaßnahmen und Lebensmittelgutscheine statt Geld wird die Situation von Jugendlichen und jungen Erwachsenen kaum verbessern", meinte Birgit Hebein, Sozialsprecherin der Grünen Wien: "Disziplinierungsmaßnahmen schaffen keine Jobs, keine Perspektiven." Diese Verschlechterung auf Kosten von Jugendlichen werde es mit den Wiener Grünen nicht geben, betonte Hebein. Sinnvoller sei es vielmehr, zu überlegen, wie Jugendliche mit arbeitsmarkt- und bildungspolitischen Angeboten besser erreicht werden könnten.

"Almosenphantasien" von vorgestern...

Ähnlich sieht das auch die Sozialsprecherin der Bundesgrünen, Judith Schwentner. Sie forderte endlich bundesweit einheitliche Regelungen über ein Grundlagengesetz, "damit derart vorgestrige Almosenphantasien wie jene der Stadträtin Wehsely ein für alle Mal ausgeschlossen sind". Auf APA-Nachfrage wurde im Büro Wehsely allerdings betont, dass keine Maßnahmen wie etwa Lebensmittelgutscheine geplant seien. Sachleistungen bezögen sich vielmehr etwa auf die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen.

Zustimmung kam dagegen von Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ). "Die Richtung, die Wien nun bei der BMS einschlagen will, kann ich unterstützen. Im Vordergrund muss immer die bestmögliche Unterstützung für junge Menschen stehen, damit sie eigenständig ihren Lebensunterhalt bestreiten können", so der Minister per Aussendung. Beschäftigungs- oder Ausbildungsangebote anstatt reiner Geldleistungen könne für viele Jugendliche der notwendige Impuls sein, um ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.

...kommen für andere wiederum viel zu spät

Kritischer sieht das die Wiener Opposition. Die Maßnahmen, um den Anstieg der Unter-25-Jährigen bei der BMS abzuschwächen, würden Jahre zu spät kommen, meinte ÖVP Wien-Sozialsprecherin Ingrid Korosec. Auch die Sanktionen hätte sich Korosec schon früher gewünscht: "Es ist eine Zumutung, dass Wien seit der Einführung der Mindestsicherung 2001 bisher auf eine effiziente Kontrolle in diesem Bereich verzichtet und lediglich bei Erwachsenen diese Schritte gesetzt hat. Hier ist eindeutig Steuergeld verschwendet worden, weil man zu feig war für schonungslose Aufdeckung von Sozialmissbrauch."

Für den Klubobmann der Wiener FPÖ, Johann Gudenus, kommen die Maßnahmen ebenfalls nicht früh genug: "Anstatt rechtzeitig auf die Warnungen der Experten zu hören und es gar nicht erst soweit kommen zu lassen, präsentiert man, wenn alles zu spät ist, wieder einmal einen Bericht, der die Welt aus dem Nichts heraus zu einer besseren machen soll." 100.000 von Armut betroffene Kinder und Jugendliche sowie die hohe Jugendarbeitslosigkeit würden jedoch das Versagen der Stadtregierung beweisen, findet Gudenus. (APA, 27.5.2015)