Graz - Weiträumig lahmgelegte Stromnetze und gestörte Signale in Satellitennavigation und -kommunikationssystemen gehören zu den gefürchteten Folgen von Sonnenstürmen. Transformatoren, Kraftwerke und Funkverkehr können von den Turbulenzen im "Weltraumwetter" in Mitleidenschaft gezogen werden.

Um sich auf einen solchen Ernstfall vorbereiten zu können - und um keinen unnötigen Alarm zu geben, wenn für die Erde keine Gefahr besteht -, muss man den Kurs eines Sonnensturms kennen. Und dieser Kurs kann sich unterwegs durchaus ändern. Forscher vom Grazer Institut für Weltraumforschung haben nun ein Modell erstellt, das die Ablenkung der ursprünglichen Ausrichtung von Sonnenstürmen erklärt und besser berechenbar macht.

"Die Hurricanes des Weltraumwetters"

Sonnenstürme sind explosive Massenauswürfe aus der äußersten Schicht der Sonne (sogenannte Coronal Mass Ejections, CME). "Verglichen mit dem Erdwetter sind CME die Hurricanes des Weltraumwetters", sagt Christian Möstl vom Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Sie entstehen durch Instabilitäten in den starken Magnetfeldern der Sonnenflecken auf der Oberfläche des Sterns. Mit Geschwindigkeiten von 2.500 Kilometern pro Sekunde und darüber hinaus brauchen sie zwischen 14 Stunden bis zu fünf Tagen für die Entfernung der Sonne zur Erde.

Weltweit arbeiten Forscher daher daran, für Sonnenstürme, bei denen große Mengen geladener Plasmateilchen in den Weltraum geschleudert werden, ein exaktes Frühwarnsystem zu erstellen. Eine wichtige Voraussetzung für zuverlässige Vorhersagen wäre es, so rasch als möglich die exakte Richtung zu erkennen, die der Sturm nimmt.

2014 hatten wir Glück

Möstls Team und seine internationalen Kollegen haben ein Modell erstellt, das erklärt, warum Sonnenstürme, die ursprünglich auf die Erde ausgerichtet waren, dann doch die Erde verfehlen können. Gelungen ist das "Ellipse-Evolution-Modell" mit der Analyse eines prognostizierten Super-Sonnensturms vom 7. Jänner 2014: Der starke elektromagnetische Sturm verfehlte damals glücklicherweise die Erde und die geomagnetischen Störungen blieben unerheblich - obwohl Schlimmeres vorhergesagt wurde.

"Wir wollten verstehen, warum der Sonnensturm keine Auswirkungen auf die Erde hatte", erzählte Möstl. Die Forscher konnten auf Daten aus sieben Raumsonden zurückgreifen und den Weg von der Sonne bis zur Erde verfolgen. "Wir hatten Glück, weil damals die beiden NASA "Stereo"-Sonden in Kombination mit den Daten des Sonnensatelliten SOHO einen 360-Grad-Rundumblick auf die Sonne ermöglicht hatten", sagte der Forscher.

Neue Erkenntnisse sollen Vorhersagen verbessern

"Wir haben erkennen können, dass die Ablenkung der ursprünglichen Ausrichtung der Sonnensturm-Unwetterfront noch während der Eruption passiert", schilderte Möstl. Als Ursache machten die Forscher weitere starke Magnetfelder in der Nähe der Quellregion aus: "Der Sonnensturm bewegt sich in einem Umfeld aus Magnetfeldern: Sind sie stark genug, können sie ihn von der ursprünglichen Ausrichtung stark wegrücken", erklärte der Grazer Weltraumwissenschafter.

"Und wir haben festgestellt, dass der Grad der Ablenkung definitiv doppelt so hoch sein kann, als bisher gedacht. Im vorliegenden Fall lag sie bei beinahe 40 Grad longitudinal zur Ursprungsregion", betonte Möstl. Die Details der Studie wurden in der jüngsten Ausgabe von "Nature Communications" publiziert. Die Ergebnisse mündeten in ein Modell, das künftig zu besseren Vorhersagen zur Ausrichtung der CME und der damit zu erwartenden Folgen für die Erde führen soll. (APA/red, 27.5. 2015)