Der künstliche Gelenksersatz bei nicht mehr funktionierenden Hüft- und Kniegelenken ist eine der ganz großen Erfolgsstorys der Medizin. Doch die Keimbesiedelung der Implantate gefährdet den Erfolg solcher Eingriffe. Beim 16. europäischen Orthopädenkongress (EFORT) in Prag beraten mehr als 7.000 Experten aus aller Welt, wie man dieser Herausforderung begegnen kann.
"Infektionen sind ein sehr ernst zu nehmendes Problem, das wirklich jeden Orthopäden oder Unfallchirurgen betrifft", sagte Stephen Cannon, Präsident der European Federation of National Associations of Orthopaedics and Traumatology (EFORT).
Besonders anfällig für Infektionen sind in der Orthopädie nicht jene Eingriffe, bei denen ein Implantat in den Körper eingesetzt wird - also zum Beispiel Hüft-, Kniegelenk- oder Schultergelenk-Endoprothesen.
Rapider Anstieg der Operationen
Diese Eingriffe nehmen wegen der demografischen Entwicklung und steigenden Lebenserwartung rasant zu. In Dänemark zum Beispiel ist zwischen 2000 und 2012 die Zahl der eingesetzten Hüftgelenk-Prothesen pro 100.000 Einwohner um 40 Prozent gestiegen, die Zahl der Kniegelenk-Prothesen hat sich verdreifacht. Im selben Zeitraum stieg die Rate der Kniegelenk-Ersatzoperationen um 80 Prozent an.
"Die steigende Zahl von Gelenkersatz-Eingriffen hat naturgemäß Konsequenzen für die Infektionshäufigkeit. Bei Hüft- oder Knieprothesen-Eingriffen zum Beispiel variieren etwa in Großbritannien, abhängig von zahlreichen Faktoren, die Infektionsraten zwischen 0,2 und vier Prozent", sagte Cannon.
"Könnten wir im gesamten System die niedrigste Infektionsrate erreichen, würde das zu jährlichen Einsparungen von 250 bis 370 Millionen Euro führen. Allein diese Daten zeigen schon die Dringlichkeit des Themas."
Antibiotika-Resistenzen als Grundproblem
Im europäischen Durchschnitt, so zeigt eine Analyse des European Center for Disease Prevention and Control (ECDC), treten Infektionen bei 0,7 Prozent der Knieprothesen-Operationen und bei einem Prozent der Hüftprothesen-OPs auf. Sie gehören zu den häufigsten Ursachen für das Nichtfunktionieren der Prothesen, bei Hüftprothesen-Implantationen enden sie laut ECDC sogar in einem von 200 Fällen tödlich. Insgesamt gehören postoperative Infektionen zu den häufigsten Krankenhausinfektionen überhaupt.
Immer mehr der postoperativen Infektionen werden auch durch Bakterien verursacht, die Mehrfachresistenzen gegen die üblicherweise eingesetzten antibiotischen Substanzen aufweisen. "Die Antibiotikaresistenz ist zu einem zentralen Problem in der Behandlung aller Kategorien von Knochen- und Gelenkinfektionen geworden", betonte Cannon. Das gilt für sogenannte grampositive als auch für gramnegative Keime. Darunter versteht man eine Einteilung nach der Färbemöglichkeit der Bakterien.
Mehr Prophylaxe
"Wir müssen unsere antimikrobiellen Strategien angesichts solcher Entwicklungen ändern. Auf dem EFORT-Kongress diskutieren wir daher unter anderem die aktuelle Datenlage zur Frage, welche neuen Antibiotika-Kombinationen wir schon in der Infektionsprophylaxe, aber auch in der Therapie einsetzen sollten, um den verbreiteten Resistenzen wirksam zu begegnen", wurde Cannon zitiert.
Immer mehr Daten gibt es inzwischen über den Nutzen von innovativen antibakteriellen Beschichtungen ("Coatings") auf Implantaten, die eine mikrobielle Besiedelung verhindern sollen.
Dabei werden nicht nur antibiotische Beschichtungen eingesetzt, zahlreiche Materialien sind in Erprobung oder konnten bereits ihren Nutzen unter Beweis stellen, wie auch viele in Prag präsentierte Studien zeigen. Zum Beispiel erweisen sich Silber-Nanopartikel, verschiedene antimikrobielle Peptide (Eiweißbruchstücke) oder Nanodiamanten als wirksam gegen die Implantat-Keime. (APA, 27.5.2015)