Das überraschend klare Votum für die gleichgeschlechtliche Ehe im katholischen Irland hat einen internationalen Trend, der schon längst im Laufen ist, weiter beschleunigt. Ein westliches, demokratisches Land nach dem anderen gibt homosexuellen Paaren das Recht auf Heirat – ohne Wenn und Aber. In den USA wird der von konservativen Richtern dominierte Supreme Court im Juni voraussichtlich alle Barrieren für die Homo-Ehe aus dem Weg räumen. In Deutschland und in Italien ist nach dem Irland-Referendum die Debatte voll entbrannt. Österreich kann sich dem nicht entziehen.

Zwar werden gleichgeschlechtliche Paare hierzulande nur noch wenig diskriminiert; damit haben die Befürworter des Status quo, vor allem in der ÖVP, recht. Bei ihrer Einführung 2010 lag die eingetragene Partnerschaft auch noch halbwegs im europäischen Mainstream. Aber heute ist Österreich mit seiner ambivalenten Rechtslage bereits weit zurückgefallen.

Noch nie zuvor hat sich eine grundsätzliche moralisch-gesellschaftliche Einstellung in der Welt so schnell gewandelt wie die Akzeptanz der Homo-Ehe im 21. Jahrhundert. Selbst in der Kirche wird der Widerstand schwächer. Denn anders als Abtreibung – weiterhin ein Tabu für viele Gläubige – ist die Homo-Ehe eine Bejahung des Lebens und traditioneller Familienwerte – ausgedehnt auf alle Bürgerinnen und Bürger.

Die Einstellung zur Homosexualität ist zu einem der wichtigsten Indikatoren für den Zivilisationsgrad eines Landes geworden. Einige afrikanische Staaten sind ganz unten, Russland ist nicht viel besser, Mittel- und Osteuropa holen langsam auf. In Ländern, die ganz und gar in der Tradition der westlichen Aufklärung stehen, ist die volle Akzeptanz anderer Lebensweisen inzwischen ein Grundwert, an dem nicht mehr gerüttelt werden darf.

Selbst Zweifler müssen alle wissenschaftlichen Erkenntnisse anerkennen, die zeigen, dass Homosexuelle zwar eine Minderheit sind, aber sonst ganz normal – und dass Kinder mit zwei Vätern oder zwei Müttern genauso glücklich sein können wie in traditionellen Familien.

Österreich, das dank Conchita Wurst ein Jahr lang seine Liberalität feiern durfte, muss sich hier klar und ohne Einschränkungen – etwa beim Adoptionsrecht – positionieren, und das rasch. Die Mehrheit ist auch hierzulande für die Homo-Ehe, wahrscheinlich genauso deutlich wie in Irland. Wer jung, gebildet und urban ist, versteht die Bedenken gar nicht.

Das Thema ist zwar eher von symbolischer Bedeutung – die Zahl der gleichgeschlechtlichen Hochzeiten ist nirgendwo in der Welt besonders hoch. Aber die Symbolik zählt.

Denn Toleranz und Offenheit sind zu einem wirtschaftlichen und kulturellen Standortfaktor geworden. Wer das ausstrahlt, zieht kreative, talentierte Menschen an – Hetero- genauso wie Homosexuelle –, und das schafft neue Unternehmen, Arbeitsplätze, hochqualitative Wertschöpfung und Lebensqualität. Das internationale Ansehen bringt auch politisches Kapital.

Davon hat Wien in der vergangenen Woche einiges sammeln können. Nun darf es die Regierung nicht verspielen, indem sie auf der gesellschaftspolitischen Bremsspur bleibt. Auch in der ÖVP weiß man, dass die Einführung der Homo-Ehe nur eine Frage der Zeit ist. Jetzt zu warten, weil einige in der Partei noch nicht so weit sind, ist eine Zumutung nicht nur für die Betroffenen, sondern für das ganze Land. (Eric Frey, 26.5.2015)