Junges Ensemble: Bariton Tobias Greenhalgh, die Sopranistinen Gan-ya Ben Gur Akselrod und Viktorija Bakan, Bass Christoph Seidl und Mezzosopranistin Natalia Kawlek-Plewniak (v. li.).


Foto: Andy Urban

Wien - Vor dreieinhalb Jahren wurde die angeschlagene Kammeroper frech vom Theater an der Wien gekapert, seit der Saison 2012/13 bespielt das VBW-Opernhaus erfolgreich das kleine Souterrain-Etablissement am Fleischmarkt. Unter der kundigen Leitung von Sebastian F. Schwarz darf dort ein junges Ensemble zwei Jahre lang in feinen Produktionen Opernerfahrung in großen Partien sammeln und sich nebenbei im Mutterhaus an der Wienzeile an der Seite der Stars in den schwer besetzbaren kleinen Partien beweisen.

Mittlerweile neigt sich für das zweite Junge Ensemble die erste Saison schon fast dem Ende zu: Mit zwei Musiktheaterstücken von Maurice Ravel und Francis Poulenc (L'heure espagnole / Les mamelles de Tirésias) steht am 28. 5. die letzte Premiere dieser Spielzeit an. Wie war's denn so?

"Es war großartig", meint Tobias Greenhalgh (26). "Es gibt für einen jungen Sänger eigentlich kaum Möglichkeiten, große Partien auf einer Opernbühne zu singen", erklärt der US-amerikanische Bariton. "Das ist europaweit etwas Einzigartiges", stimmt Christoph Seidl (27) zu. Der Österreicher war bereits Mitglied des Internationalen Opernstudios Zürich, dort hat er aber hauptsächlich kleine Partien im großen Haus gesungen. "Es ist aber auch harte Arbeit", ergänzt Natalia Kawalek-Plewniak (27), "während die Aufführungen einer Oper laufen, beginnt man schon mit der Vorbereitung für die nächste. Man muss mental und körperlich fit sein." Viel gelernt hat die polnische Mezzosopranistin in der Zusammenarbeit mit den unterschiedlichen Regisseuren: "Man wird mit jeder Inszenierung erfahrener."

Wachsen und Reifen

Gan-ya Ben-Gur Akselrod (28) singt ihre zweite Saison an der Kammeroper. Man bekomme hier die Gelegenheit, als Künstlerin zu wachsen und zu reifen, so die israelische Sopranistin. "Man arbeitet mit sehr guten Dirigenten und Regisseuren zusammen. Und man singt von jeder Oper zehn Vorstellungen in Folge, sodass man sich immer weiter verbessern kann."

Ist das vom Barock bis zur Moderne reichende Repertoire eine Herausforderung? Das sei es mit Sicherheit, meint Greenhalgh, aber eine, die ihnen allen zugutekommen würde in den nächsten Jahren. Er habe etwa vom Barockspezialisten Rubén Dubrovsky viel über Verzierungen gelernt. Und die intime Kammeroper sei wie ein geschütztes Territorium, in dem man Dinge ausprobieren und in eine Rolle hineinwachsen könne: "Eine Partie wie den Eugen Onegin erstmals an einem großen Haus wie der Staatsoper zu singen, wäre vielleicht ein Desaster, aber hier geht es gut."

Diese Vielfalt tue einem für die weitere Karriere gut, stimmt Seidl zu: "Wir werden nicht ausschließlich Mozart singen oder das romantische Repertoire, sondern Werke aus allen Epochen." Es sei manchmal auch so, dass man Werke am Anfang nicht möge, meint Viktorija Bakan (32), aber wenn man sie einstudiert und aufgeführt habe, liebe man die Musik plötzlich. Was allen taugt, ist das Darstellerische, denn im Musiktheater verschmelzen Gesang und Schauspiel. "Wir haben sehr fordernde Regisseure gehabt", fasst Seidl zusammen, "Wir sind jung und unerfahren, wir machen alles mit!", ergänzt Bakan verschmitzt.

Kleine und große Partien

"Wenn man eine gute Probenzeit gehabt hat, und die Rolle richtig in sich fühlt, dann ist der Stress kleiner. Aber er ist natürlich immer da", meint Bakan auf die Frage, wie viel Stress es bedeute, eine Partie über Wochen und Monate einzustudieren und dann in den zwei, drei Stunden der Premiere alles abliefern zu müssen. Ihre polnische Kollegin stimmt zu: "Man weiß, dass alle wichtigen Leute vom Haus da sind, die Kritiker der Zeitungen. Dann ist man schon ein bisschen versteinert. Aber so ist es halt." Dass es aber fast schwieriger ist, die kleinen Partien im Theater an der Wien zu singen als die großen an der Kammeroper, darin sind sich alle einig. In eine größere Partie könne man im Laufe des Abends hineinwachsen, meint Akselrod. Bei einer kleinen Partie habe man nur einige Takte zu singen - aber wenn man die vergeigen würde, wäre es wirklich blöd, so Seidl. Zudem bekomme man nicht wirklich viele Bravos am Schluss ...

Ihre Zukunft nach der Kammeroper sehen die fünf unterschiedlich. Kawalek-Plewniak und Greenhalgh möchten als Freelancer arbeiten, Seidl lieber in einem fixen Ensemble. "Ich wollte in ein Ensemble, aber jetzt arbeite ich doch frei", erklärt Akselrod: "Es kommt, wie es kommt." (Stefan Ender, 27.5.2015)