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Peking baut sich eine moderne, weltweit einsatzfähige Armee auf.

Foto: EPA/WU HONG

China expandiert über seinen Handel, seine Investitionen und Bankgründungen mit seiner Wirtschaft immer rascher nach außen, wie es auch geopolitisch über seine Seidenstraßen-Pläne in die Welt vordringt. Ebenso offensiv setzt Peking auch außerhalb seiner Grenzen territoriale Ansprüche auf Inselgebiete im Ostchinesischen Meer durch und beansprucht das gesamte Südchinesische Meer. Es rief unilateral eine Luftverteidigungszone aus und ließ heimlich künstliche Inseln bauen. Nun soll die Armee solchen Aktivitäten bei Fuß folgen und den globalen Vormarsch im Notfall absichern.

Peking hat sich mit dieser Botschaft an die Welt endgültig von seiner alten Armeedoktrin verabschiedet. Sie passt nicht mehr zur neuen Weltwirtschafts- und Handelsmacht China, die globale Interessen verfolgt. Seit Jahren hatte sich die Entwicklung abgezeichnet. China bricht dafür endgültig auch mit der Tradition, seine Streitkräfte vorwiegend auf die Verteidigung innerhalb seiner Landesgrenzen und der Küstengebiete zu konzentrieren. Es ändert die Paradigmen in seiner militärischen Strategie. Es will die mit 2,3 Millionen Soldaten größte Armee der Welt künftig schlagkräftig zum Schutz seiner "überseeischen Interessen" ausbilden, ausrüsten und dann auch einsetzen können.

Armee-Weißbuch vorgestellt

Die Richtlinien zur neuen Projektion chinesischer Militärmacht nach außen wurden in einem am Dienstag veröffentlichten Armee-Weißbuch des Staatsrats offengelegt. Erstmals ist es speziell der "Militärstrategie Chinas" gewidmet. Der Sprecher des Verteidigungsministerium Yang Yuqun und zwei weitere Militärs stellten das 25-seitige Dokument vor. Es erscheint in einer Zeit erhöhter Spannungen Chinas mit Japan und mit seinen Nachbarstaaten wie den Philippinen und Vietnam um den umstrittenen Inselbau im Meer. Jüngst hat sich darüber auch der Streit mit den USA gefährlich zugespitzt.

Von Peking geht mitten in diesem Streit nun die Botschaft aus, dass es sich eine moderne, weltweit einsatzfähige Armee aufbaut. Sie ist heute besser ausgerüstet, nachdem ihr Etat 2015 so wie in den Jahren zuvor wieder zweistellig stieg. Mit einem Jahresetat von umgerechnet 135 Milliarden Euro steht China zwar noch weit hinter den viermal so viel ausgebenden USA, aber vor allen anderen auf Platz zwei. Das Weißbuch schreibt: "Chinas Traum ist es, das Land stark zu machen. Das Militär stark zu machen ist ein Teil davon."

Neue Hauptaufgabe für die Kriegsmarine

Die wichtigste Armeereform betrifft die Kriegsmarine. Erstmals wird sie herausgehoben und als deutlich wichtiger als die Landarmee gekennzeichnet. Sie soll künftig ihre bisherige Rolle, die "Küstengewässer zu verteidigen", um die neue Hauptaufgabe "Schutz der offenen Meere" erweitern und beide verbinden. Sie soll "multifunktional" operieren können, ihre "Gefechtskraft" erhöhen und der "strategischen Abschreckung" dienen, was vermutlich den Bau von noch mehr Atom-U-Booten bedeutet. Yang sagte, dass China noch über keinen militärischen Stützpunkt im Ausland für seine Kriegsschiffe verfüge. Doch in den vergangenen Tagen waren erfolgreiche Verhandlungen zur Nutzung des Hafens von Dschibuti am Golf von Aden bekannt geworden. Von Peking gab es dazu weder eine Bestätigung noch ein Dementi. Yang versicherte, dass der Ausbau des Militärs grundsätzlich nur Verteidigungszwecken dienen würde. "China wird niemals eine Hegemonialmacht werden."

Doch sein Militär mischt mit und will künftig weltweit mitreden, wo immer chinesische Interessen bedroht sind. Auch die Landarmee wird reformiert. Sie soll statt in großen Verbänden künftig in mobilen und modernen, vernetzbaren "Kampfgruppen" operieren. Ziel sei es, schnelle Einsatzkräfte zu bekommen, die "schlank, vereint, multifunktional und effizient" sind. Die Luftwaffe soll "Offensiv- und Defensivverteidigung" verbinden, mit Frühwarnsystemen bis zur Raketenabwehr ausgerüstet werden und unter den Bedingungen der Informationstechnologie operieren können.

Fokus auf Cyberkriminalität

Auch Chinas strategische Raketen- und Atomstreitkräfte und die Milizverbände werden für ihren möglichen globalen Einsatz modernisiert. Weiterer Schwerpunkte sollen der beschleunigte Aufbau einer Spezialtruppe zur Bekämpfung von Cyberkriminalität sowie die Verteidigung im Weltall werden. Mit der strategischen Neuausrichtung seiner bewaffneten Kräfte reagiert Peking auch auf eine kritischer als früher eingeschätzte Weltlage. Das Weißbuch schreibt zwar, dass in "voraussehbarer Zukunft" kein Weltkrieg zu befürchten sei. Dafür drohten "unmittelbare und potenzielle" lokale Kriege. Der internationale Wettbewerb zur "Umverteilung der Macht, von Rechten und Interessen" würde sich intensivieren. Weil sich das "weltwirtschaftliche und strategische Zentrum Richtung Asien/Pazifik" verschiebe, wollten dort die USA mit militärischer Präsenz und Allianzen wieder Fuß fassen. Japan rüste ebenfalls wieder auf. Das Weißbuch gibt den Nachbarn die Schuld für den Territorialstreit um das Südchinesische Meer. Ohne die Philippinen und Vietnam zu nennen, heißt es: "Einige provozierten den Konflikt mit der Verstärkung ihrer militärischen Präsenz auf chinesischen Riffen und Inseln, die sie illegal besetzt halten."

Als weitere innenpolitische Bedrohung nennt Peking in seiner Aufzählung Terroristen und die Aufständischen in Xinjiang und Tibet sowie die "Antichina-Kräfte", die "farbige Revolutionen" anzetteln wollten. Im Ausland ging es bei den Bedrohungen um die "Sicherheit der überseeischen Interessen Chinas", seiner Versorgung mit "Energie und Ressourcen" und darum, "strategische Seewege und Kommunikation" zu schützen, ebenso wie seine Institutionen, sein Personal und und seine Besitzstände. Auch die stehen auf der Agenda der Armee. (Johnny Erling aus Peking, 26.5.2015)