Eine Jahreskarte um 100 Euro. Mit dieser Forderung sind die Grünen vor fünf Jahren in den Wiener Landtagswahlkampf gezogen. Kaum waren sie in der Stadtregierung, mussten sie erkennen, dass das Konzept nicht ganz aufgeht. Dass das Jahresticket immerhin auf 365 Euro verbilligt worden ist, ist dennoch ein Erfolg.

Um einen Euro pro Tag mobil zu sein - davon können Bewohner vieler anderer Großstädte nur träumen. Aber man muss gar nicht nach Helsinki (Jahreskarte 545,30 Euro), Berlin (Jahreskarte ab 740 Euro) oder London (ab 1809 Euro) zum Vergleich heranzuziehen. Es reicht schon Baden bei Wien. Eine Außenzone des Verkehrsverbunds Ostregion kostet ab 395 Euro pro Jahr - aber da kommt man nicht weit. Nicht innerhalb des Bundeslands, schon gar nicht über Ländergrenzen. Wer zur Arbeit von Baden nach Wien fahren will, legt dafür 641 Euro für eine Jahreskarte in zwei Außenzonen plus den 365 Euro für die Kernzone Wien ab.

Benzin kostet so viel wie derzeit das Ticket

Kein großer Anreiz, das Auto stehen zu lassen. Die Grünen haben errechnet, dass ein Autofahrer, der 240 Tage im Jahr von Baden nach Wien zur Arbeit fährt, für den Treibstoff etwa gleich viel ausgibt wie für eine Netzkarte fällig würde.

Natürlich haben die Grünen eine - nicht allzu laut ausgesprochene - Agenda dahinter, wenn sie billigere Netzkarten fordern: Sie wollen, dass die Österreicherinnen und Österreicher das Auto stehen lassen. Sich vielleicht gar keines zulegen.

Leben ohne Führerschein und Auto

In Wien ist das ja schon zu beobachten: Immer mehr junge Leute machen hier gar keinen Führerschein, weil sie in der Stadt das Auto nicht brauchen.

Auf dem Land - und das beginnt eben oft schon an der Wiener Stadtgrenze - ist das anders. Das ist einerseits eine Kostenfrage: Tatsächlich wären billige Öffis ein starker Anreiz, das Auto stehen zu lassen. Vor allem für weitere Fahrten: Geht das Grüne Modell (das zeitweise auch von der ÖVP vertreten und von der rot-schwarzen Koalition mehrfach aufgegriffen, aber nie umgesetzt wurde) durch, so kann man künftig um 1095 Euro im Jahr (also drei Euro pro Tag) in alle Winkel Österreichs reisen.

Theoretisch.

Denn praktisch müsste das Verkehrsnetz ausgebaut, die Intervalle auf Nebenbahnen und Busstrecken in der Fläche stark verdichtet werden. Das kostet. Um das zu finanzieren, müssten andere Verkehrsinvestitionen und Verkehrssubventionen (für den Auto-, aber auch den Flugverkehr) zurückgenommen werden. Einsteigen und losfahren - das ist derzeit nur mit dem Auto möglich. (Conrad Seidl, 26.5.2015)