Bei der neu entdeckten Spezies Kassleria dimorpha haben die Weibchen ihre Flugfähigkeit verloren.

Fotos: TLM/Norbert Poell

Innsbruck – Gleich vier bisher unbekannte Schmetterlingsarten haben Wissenschafter aus Tirol und Finnland in den Alpen entdeckt. Dass sich die neuen Falterarten bisher im Verborgenen halten konnten ist kein Wunder: Sie haben eine Flügelspannweite von etwa 1,5 Zentimeter und sind nur sehr kleinräumig in wenigen Gebirgsstöcken verbreitet, berichtete das für seine Schmetterlingsforschung bekannte Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum am Dienstag.

Alpenendemiten

Die Innsbrucker Naturwissenschafter Peter Huemer und Marko Mutanen von der Universität Oulu haben modernste Techniken wie genetische Strichcodes benutzt, um die neuen Arten verwandtschaftlich abzugrenzen. Die Erforschung dieser sogenannten Alpenendemiten habe international große Relevanz, weil diese Arten Zeugen der komplexen eiszeitlichen Geschichte der Alpen und oft stark gefährdet seien", betonte Huemer, der Kustos der Naturwissenschaftlichen Sammlungen der Tiroler Landesmuseen ist.

Die neu entdeckten Falter seien in mehreren Expeditionen in teils abgelegenen Gebieten der Südwestalpen und Südalpen oberhalb der Waldgrenze gefunden worden: die Kessleria cottiensis in der Provinz Turin (I) und im Departement Hautes-Alpes (F), die Kessleria orobiae in der Provinz Bergamo (I) und die Kessleria alpmaritimae im Departement Alpes-Maritimes (F). Die Schmetterlinge seien in den frühen Morgenstunden auf der Suche nach Geschlechtspartnern unterwegs gewesen oder seien in der Nacht von künstlichen Lichtquellen der Forscher angelockt worden.

Flugunfähige Falter

Das Weibchen der vierten neu entdeckten Art kann allerdings nicht fliegen – eine Eigenschaft, die die Wissenschafter als Anpassung an starke Winde im Hochgebirge deuten. Aufgrund seiner im Vergleich zum Männchen deutlich reduzierten Flügel erhielt dieser Schmetterling den Namen Kessleria dimorpha. Er wurde im Departement Alpes-de-Haute-Provence (F) nachgewiesen.

Alle vier Arten gehören einer spezialisierten Gattung aus der Familie der Gespinstfalter an. Die Raupen der nunmehr 29 aus Europa bekannten Steinbrech-Gespinstfalter leben mit einer Ausnahme von Steinbrecharten. Diese Pflanzen sind durch ihre Anpassungsfähigkeit an extreme Standorte ungewöhnlich. Sie besiedeln Schutthalden oder selbst senkrechte Felswände. Als Nahrung für Insekten dienen Steinbrecharten jedoch nur selten. Die Schmetterlingsraupen können im Inneren der Blätter bohren oder sie fressen an mit Gespinst verwobenen Pflanzenteilen. (APA/red, 1.6.2015)