Dass ausgerechnet Mailand zum Austragungsort einer Weltausstellung ernannt wurde, bei der es um Lebensmittel und Ernährung geht, hat vor allem in Italien für einigen Spott gesorgt. Denn bekannt ist die Stadt in erster Linie für Mode, Design und für die hohe Dichte an schönen Menschen mit Sonnenbrillen; mit guter Küche und feinen Restaurants wird die lombardische Hauptstadt eher weniger in Verbindung gebracht – was sie im ansonsten so essverliebten Italien zur Ausnahme macht.

Das Gegenteil der "cucina povera"

Schuld daran trägt die Tatsache, dass sich in Mailand im Laufe des 19. Jahrhunderts ein Küchenstil entwickelt hat, der stark bürgerlich geprägt war und auch sonst kaum den Idealen der italienischen Küche entsprochen hätte, wie sie im darauffolgenden Jahrhundert festgesteckt wurden. Die Zutaten dafür wären: Eine "cucina povera", also eine Arme-Leute-Küche aus bescheidenen Zutaten; viel gesundes Olivenöl und Gemüse; dafür wenig tierisches Eiweiß und wenige tierische Fette.

Die großbürgerliche Küche Mailands zeichnete sich indessen bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg durch das ziemliche Gegenteil aus, also durch teure Zutaten wie Kalb- und Rindfleisch, Eier und Eiernudeln, Butter, Butterschmalz und viel darin Frittiertem, lauter Dinge also, die inzwischen nicht nur in Italien als "unitalienisch" gelten, weil sie nicht der vielgerühmten Mittelmeerdiät entsprechen, die südlich der Alpen als eine Art Nationalgut gilt und als Symbol für die kulturelle Überlegenheit der italienischen Ernährung steht.

Frösche, Schnecken, Schnitzel

Da heutzutage mit Klassikern der Mailänder Küche – etwa mit frittierten Innereien, Knochenmark im Risotto, in Butter herausgebackenen Fröschen, Schnecken und Schnitzeln - wohl kein Staat mehr zu machen ist, finden sich in der Stadt auch nur selten alteingesessene Gasthäuser, wie man sie von anderswo in Italien kennt. Bei genauerer Betrachtung stellt sich jedoch heraus, dass es, abgesehen von schicken und überteuerten Designerrestaurants auch die eine oder andere Trattoria gibt, die noch den örtlichen Küchenstil pflegt und lokale Produkte verarbeitet.

Die weltoffene Metropole bietet zudem einige Restaurants, die sich etwas mehr trauen als andere in Italien – das Land ist in Essensdingen bekanntlich eher konservativ. Und weil frischer Fisch immer zuerst dorthin geht, wo das Geld ist, gilt Mailand auch als größter Hafen des Landes.

Wer sich also abseits des bedeutungsbeladenen Programms der Lokale am Expo-Ausstellungsgelände ein Bild von realer und gewachsener Esskultur einer norditalienischen Großstadt machen will, der kann, etwas guten Willen vorausgesetzt, durchaus fündig werden. (Georges Desrues, Rondo Feinkost, 3.6.2015)

Foto: Georges Desrues


Hausgemacht am Bahnhof

Ein Lokal, wie man es sich in Bahnhöfen auf der ganzen Welt wünschen würde. Im neuen Konzept des Selbstbedienungsgiganten Autogrill im pompösen und neurenovierten Bahnhof Centrale werden Pizza, Pasta und Brot hausgemacht und im Holzofen gebacken, die Salate sind frisch, die Panini hervorragend. Was nicht vor Ort erzeugt wird, stammt von ausgesuchten Erzeugern möglichst aus der Umgebung.

Bistrot Centrale, Piazza Duca D'Aosta
www.bistrotmilanocentrale.it

Foto: Georges Desrues

Durchgestylte Feinkost

Das 1883 vom gebürtigen Prager Wurstfabrikanten Francesco Peck gegründete gleichnamige Geschäft ist eine der schönsten, sorgsam sortiertesten und teuersten Delikatessenhandlungen der Welt. Im ersten Stock wird zudem ein gutbürgerliches Nobelrestaurant betrieben, um die Ecke eine gestylte Italian Bar mit Salaten, Pasta und sonstigen erschwinglichen Gerichten aus erstklassigen Zutaten.

Peck, Via Spadari 9
www.peck.it

Foto: Georges Desrues


Fisch am Fuße der Alpen

Fischhandlungen mit angeschlossenen Restaurants oder Imbissstuben sind eine Mailänder Spezialität. Der Wohlstand der Bewohner ist verantwortlich dafür, dass in die Großstadt am Fuße der Alpen täglich große Mengen an frischestem Fisch aus ganz Italien angeliefert werden.

Pescheria da Claudio, Via Cusani 1
www.pescheriadaclaudio.it

Pescheria Spadari, Via Spadari 4
www.pescheriaspadari.it

Foto: Georges Desrues


Tischtuch-Trattoria

Zwar nicht ganz so authentisch, wie sie es mit ihren rot-weiß-karierten Tischtüchern vorgibt, aber dennoch eine unprätentiöse und günstige Trattoria ist das Madonnina. Klassische lombardische Küche wie gekochtes Rindfleisch mit Salsa verde und Spaghetti mit Sardellen im ungezwungenen Rahmen und mit Gastgarten im schönem Innenhof im Ausgehviertel Navigli.

Trattoria Madonnina, Via Gentilino 6
+39/02/89 40 90 89 (ungewöhnliche Öffnungszeiten!)

Foto: Georges Desrues


Aperitif mit Ausblick

Der Aperitif ist ein äußerst wichtiger Moment im Leben der Mailänder. Man geht vor dem Abendessen aus, um ein Glas zu trinken, aber vor allem, um zu sehen und gesehen zu werden. Die üppigen Aperitivo a Buffet, bei denen man Unmengen an Essen auf kleine Plastikteller legt, sind in letzter Zeit aus der Mode geraten. Weniger gilt wieder als mehr wie etwa im Klassiker Bar Basso oder am Pool des Dachlokals

Ceresio 7, Via Ceresio 7
www.ceresio7.com

Foto: Georges Desrues


Neumodische Beiseln

Zahlreiche Persönlichkeiten aus der Modebranche eröffneten in den letzten Jahren Bars und Restaurants unter ihren Namen. Darunter das Armani Caffè, die Bar Martini von Dolce & Gabbana, das Gucci Caffè in der Galleria Vittorio Emanuele (Foto) oder auch das Corso Como 10 der ehemaligen "Vogue"-Chefredakteurin Carla Sozzani. In erster Linie an Fashion-Victims gerichtet!

Gucci Caffè, Galleria Vittorio Emanuele II; Armani Caffè, Via croce rossa 2;

D&G-Bar Martini, Corso Venezia 15;

Café Restaurant 10 Corso Como, Corso Como 10