Wien - Ein Haufen Gerümpel türmt sich hoch in einer Ecke. Darin und darunter liegen einige junge, schöne Frauen. Sie wirken wie paralysiert. Zwei von ihnen halten Smartphones, ohne auf deren Bildschirme zu schauen. Mit den Daumen wischen sie ein Bild nach dem anderen weg. Das ist ein Element aus der performativen Installation Under de si von Luis Garay und Diego Bianchi, die bis Dienstag im Brut gezeigt wird.

Schick gestylter menschlicher Abfall, wie ihn die von Gilles Deleuze und Félix Guattari beschriebenen "Wunschmaschinen" des Kapitalismus produzieren. Solche Produkte haben die beiden Argentinier, Bianchi als bildender Künstler und Garay als Choreograf, in eine Black Box ohne Tribüne gestopft. Das Publikum wandert durch die Szenerie, und ihm ist, als wäre es in einem potemkischen Dorf vom Weg abgekommen und sähe nun, was sich hinter den Bilderfassaden unserer Welt abspielt.

Das Smartphone ist ein praktisches Gerät. Dass sich hinter ihm und seinesgleichen eine Höllenmaschinerie verbirgt, wissen Künstler und Publikum gleichermaßen. Aber wie macht man sich bewusst, was diese Maschine aus den "Userinnen" und "Usern" an ihren Gängelbändern macht? "Under de si" ist ein Versuch, das zu tun. Nicht der erste oder beste, aber ein eindrucksvoller. Im Zentrum der Installation ist zu sehen, was der schöne neue Service mit uns macht: Man kann in eine Plexiglas-Box steigen, dort tanzen und Zigaretten rauchen. Der Rest des Publikums ist vor diesem Rauch geschützt. Das erinnert an das allgegenwärtige Schüren von Angst und schlechtem Gewissen, an Ausgrenzung, Isolationszellen und Raucherboxen auf Flughäfen.

Neben diesem Käfig zerstört sich eine Poletänzerin selbst. Aus Löchern in einer Wand lecken Zungen. Zwei Frauen mit Modelfiguren sind an Holzwände verbannt, ein Model stolziert ziellos durch den Raum. Ein Feschak wird unter einer Treppe gelagert, über ihm zeigt ein Bodybuilder sein Muskelspiel, und schräg gegenüber knutscht ein cooler Typ sein Spiegelbild. Eine Dreiergruppe hält ein Architekturmodell aus Abfall hoch, ein weiteres Trio steht gierig vor einem Eiskrem-Block.

Sämtliche Szenen zeigen eiskalte Geilheit. Am traurigsten wirkt eine einsame Ballerina mit Gummimaske, weißer Korsage und nacktem Unterkörper. Sie führt anstrengende Übungen vor und stellt dabei ein drastisches Zeichensystem her, das unser System aus Kontrolle, Disziplin und Gemeinplatz-Pornografie abbildet. Schon zu Beginn hat das Publikum den Raum über liegende Körper hinweg betreten. Und betreten verlässt es "Under de si" am Ende in Richtung Fassaden-Wirklichkeit. (Helmut Ploebst, 26.5.2015)