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Conchita Wurst und ihr so ganz anders gestrickter Nachfolger Mans Zelmerlöw am Samstagabend in der Wiener Stadthalle.

Foto: APA/Hochmuth

Die Nullnummer für die Makemakes beim Eurovision Song Contest 2015 war – ein Jahr nach dem Triumph von Conchita Wurst und angesichts der gelungenen ORF-Show in der Wiener Stadthalle – ernüchternd. Aber überraschend war es nicht.

Denn mit einem belanglosen Lied, das drei bärtige Männer am Lagerfeuer trällern (das in diesem Fall durch ein brennendes Klavier symbolisiert wurde), hat man in der Song-Contest-Welt von heute keine Chance. Das hat nichts mit der musikalischen Qualität zu tun, sondern mit den Erwartungen des Publikums, das mit etwas Besonderem aus der Lethargie der Einheitsklänge herausgerissen werden möchte.

Mit solchen Auftritten wird Österreich in Zukunft nicht einmal null Finalpunkte erhalten, sondern nicht einmal über das Semifinale hinauskommen.

Zwei Strategien zum Sieg

Wenn man sich die Siegernummern der vergangenen Jahre anschaut, dann lässt sich ein Trend erkennen: Sieger sind entweder einzigartige Persönlichkeiten, die aus irgendeinem Grund das Publikum fesseln, oder aber das Produkt einer hochprofessionellen Musikindustrie, die nichts dem Zufall überlässt.

Beispiele für die erste Kategorie waren die finnischen Maskenkünstler Lordi (2006), der norwegische Sänger-Geiger Alexander Rybak (2009), das deutsche Natürlichkeitswunder Lena (2010) – und vor allem Österreichs symbolträchtige Kunstfigur Conchita Wurst (2014), die ihren Sieg mit einem ordentlichen Lied und einer eindrucksvollen Show absicherte.

Schwedens Erfolgsrezept

Die zweite Strategie wird vor allem von Schweden verfolgt. Der Erfolg von Mans Zelmerlöw in Wien war das Produkt hervorragender nationaler Organisation, die alle paar Jahre Sieger hervorbringt Die ganze Musikindustrie des Landes ist darauf ausgerichtet, Song-Contest-taugliche Lieder und Künstler zu produzieren.

Bei Mans kam noch eine hochprofessionelle Computergrafik dazu, wie es der ESC noch nie gesehen hat. Dem konnten die drei netten Burschen aus dem Salzkammergut in Sachen Publikumswirksamkeit einfach nicht das Wasser reichen.

Forschung und Unternehmen

Nun ist es ziemlich egal, ob es österreichische Sänger bei zukünftigen Song Contests je wieder ins Finale oder gar in die vorderen Ränge schaffen. Aber die gleichen Regeln gelten auch für andere Gebiete, die für das Wohlergehen des Landes entscheidend sind – etwa in der Forschung oder bei Unternehmenserfolgen.

Entweder hat ein Land das Glück überragender Persönlichkeiten oder aber es schafft Rahmenbedingungen, in denen viel gute Arbeit zu einem großen Ganzen zusammengeführt werden kann. Am besten ist beides: Eine politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Umgebung, in der Talente sich entfalten und zu Höchstleistungen gelangen können.

Der ÖSV kann es

Bei aller Kritik an seinen Methoden ist der ÖSV, der Skistars wie Marcel Hirscher und Anna Fenninger hervorbringt, dafür ein gutes Beispiel.

Anderswo hat Österreich viel Nachholbedarf. In der Wissenschaft gibt es eine oder zwei große Namen wie etwa Anton Zeilinger, aber kaum echte Nobelpreiskandidaten. Und der Regelbetrieb an den Unis ist unterfinanziert und überbürokratisiert.

Verrückte Ideen haben es schwer

In der Wirtschaft hat bei den Persönlichkeiten eigentlich nur Dietrich Mateschitz Weltformat: Gegen alle Logik hat er aus Gummibärchensoda einen neuen Lebensstil geformt.

Dass das in Österreich gelang, ist ungewöhnlich: Unternehmertum wird zu selten gefördert, verrückte Ideen zu verwirklichen ist nicht leicht. (Auch Conchita Wurst musste mehrere Jahre warten, bis sie dank Kathi Zechner beim Song Contest eine Chance erhielt.)

Sonst hängt der Wohlstand des Landes davon ab, dass tüchtige Unternehmer und Manager in einer reibungslosen privaten-öffentlichen Kooperation Qualitätsprodukte hervorbringen, die in Exportmärkten überzeugen – so wie Mans Zelmerlöws "Heroes".

Bessere Rahmenbedingungen

Aber dafür braucht man die bestmöglichen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen: gute Schulen und Universitäten, leicht verfügbares Kapital, eine wirtschaftsfreundliche Gesetzgebung und Verwaltung, gute Anreize für Innovationen und eine moderate Steuerlast.

Auf all diesen Gebieten ist Österreich – anders als beim Song Contest – nicht Schlusslicht, aber bloß im europäischen Mittelfeld. Und die Entwicklung ist, wie zahlreiche Wettbewerbsrankings zeigen, rückläufig.

Dass Österreich das auch anders kann, hat am Samstag der ORF eindrucksvoll bewiesen. Eine solche methodische, strategische Vorgangsweise wäre auch wieder einmal in der Standortpolitik wünschenswert. (Eric Frey, 25.5.2015)