Nicht um die Kunst, sondern um die Sozialgeschichte des Metropolitan und des Museum of Modern Art (Moma) geht es in Andrea Frasers inszenierter Museumsführung "The Public Life of Art" (1988).

Foto: Andrea Fraser, Sammlung Generali Foundation

Still aus "A Visit to the Sistine Chapel" (2005)

Foto: Sammlung Generali Foundation

Salzburg – Manchmal sind im Museum die Blicke der Betrachter ebenso interessant wie die Werke, die sie anschauen. Richtet man nämlich die Aufmerksamkeit auf die Fragen der Besucher, auf ihre Gespräche, gegebenenfalls ihre Ratlosigkeit, dann betrachtet man unmittelbare Auswirkungen von Kunstwerken anstatt mehr oder weniger idealistische Entwürfe dessen, was sie bewirken sollen.

Mit einer solchen Perspektivverschiebung kokettiert das Video A Visit to the Sistine Chapel (2005) der US-amerikanischen Künstlerin Andrea Fraser: Die Kamera bleibt auf das Gesicht einer Besucherin der Sixtinischen Kapelle geheftet, schiebt sich mit ihr in Reality-TV-Manier durch die Besuchermassen, vorbei an altehrwürdiger Renaissancekunst.

Die Performerin, Fraser selbst, drückt sich den telefonähnlichen Audioguide ans Ohr, wobei ihre Mimik den Anschein erweckt, sie bekäme nicht Informationen über Kunst vermittelt, sondern erhalte persönliche, emotionale, mehr oder weniger tragische Botschaften. Die von der Ahnung des Guten, Schönen und Wahren umwehte Kunst in der Sixtinischen Kapelle gerät indes in Kontrast zum profanen und ungemütlichen Gedränge der Touristen.

Dekonstruierte Inszenierungen des Kunstbetriebs

Es ist der Blick auf das Drumherum der Kunst, der das Œuvre Andrea Frasers bestimmt; die ausgeprägte Skepsis daran, dass Museen und ihre Akteure lediglich "neutrale" Vermittler von Kunst sein könnten. Die 1965 geborene Künstlerin beleuchtet konsequent, was allzu oft im toten Winkel liegt. Neben der Rezeption und der Vermittlung der Kunst sind das vor allem auch Produktionsbedingungen oder soziale Mechanismen im Hintergrund.

Charakteristisch ist die Methode des Rollenspiels: So persifliert und dekonstruiert Fraser etwa Eröffnungsreden im Kunstbetrieb, indem sie sich das Wording und Gebaren von Kuratoren oder Sponsoren aneignet. Für die Videoinstallation Projection (2008)_trat Fraser in einen quasitherapeutischen Dialog mit sich selbst, in dem sie sich ihren Beweggründen als Künstlerin annähert. Nicht zuletzt thematisiert sie aber auch die ökonomischen Strukturen hinter der Kunst: Für eine Arbeit im New Yorker Moma setzte sie etwa die Gehälter von Museumsarbeitern mit jenen von Trustees in Bezug.

Mit ihren Videos, Performances, Objekten, Konzepten gehört die 1965 geborene Künstlerin zu den interessantesten Protagonistinnen dessen, was man "Institutional Critique" nennt – jener Praxis also, die in den 1960er-Jahren, etwa mit Marcel Broodthaers, begann, den Kunstbetrieb und das eigene Tun in den Blick zu rücken.

Andrea Fraser: "Little Frank and his Carp" (2001)

Sinnlich und doppelbödig

Dass das Museum der Moderne Salzburg (MdM) Andrea Fraser jetzt eine große Retrospektive ausrichtet, ist insofern bemerkenswert, als die "Kunst über die Kunst" in dem Ruf steht, wenig massentauglich zu sein, eine Angelegenheit für Spezialisten und unmittelbar Betroffene.

Frasers Werk entspricht diesem Klischee zwar nur bedingt. Viele Arbeiten – wie etwa A Visit to the Sistine Chapel – erschließen sich auf einer sinnlichen Ebene. Direkt auf die Erfahrung des Museumsbesuchers gemünzt ist etwa das wunderbare Video May I help you?, in dem sich eine Galerie bedienstete angesichts einer Reihe minimalistischer schwarzer Rechtecke den Mund über die Bedeutung des Sammelns fusselig redet. Nicht überall ist die Personale allerdings niedrigschwellig. Etwa weil die Videos, wiewohl textlastig, leider nicht untertitelt sind. Alle Mühen der Annäherung lohnen sich jedoch. Und gegebenenfalls liegt es gerade hier ja auch nahe, sich zur Entspannung zwischendurch die Kunstbetrachter selbst anzuschauen. (Roman Gerold, 22. 5. 2015)