Bild nicht mehr verfügbar.

Herr Blatter sitzt gerne im Scheinwerferlicht und mag es nicht, wenn er kritisiert wird. Zumal interne Untersuchungen der Fifa eindeutig ergeben haben, dass er ein Ehrenmann ist.

Foto: ap/bieri

Der schwere Mercedes der S-Klasse stoppt unter den Palmen der Bahamas. Ein ergrauter Mann klettert aus dem Fond. Es ist Sepp Blatter. Er knipst ein breites Lachen an, plaudert, schüttelt Hände - kumpelhaft, gönnerhaft, einnehmend. Der Präsident des Weltfußballverbands Fifa gibt sich die Ehre. Blatter besuchte Mitte April den Regionalverband für Nord- und Zentralamerika und die Karibik. Es war eine der letzten Stationen auf einer Werbetour, die für Blatter am 29. Mai in Zürich triumphal enden soll: Der 79-Jährige will sich zum fünften Mal von den mehr als 200 Mitgliedsverbänden zum Präsidenten wählen lassen. Er will seine 1998 begonnene "Mission" als mächtigster Mann des populärsten Sports der Welt fortführen, er will weitere vier Jahre über die "Familie" herrschen. Unumschränkt.

Lobhudelei

Blatters Sieg auf dem 65. Fifa-Kongress gilt als sicher. Nach den Rückzügen von Michael van Praag und Luís Figo ist der jordanische Prinz Ali bin Al Hussein einziger Herausforderer. Der Amtsinhaber, dem wie kaum einem anderen Sportfunktionär Korruption und Vetternwirtschaft vorgehalten wird, kann sich auf eine große Zahl von Günstlingen verlassen. So etwa Osiris Guzman. Der Chef des Verbandes der Dominikanischen Republik bricht, sobald der Name Blatter fällt, in Huldigungen aus: Blatter sei eine Lichtgestalt wie Jesus Christus, Nelson Mandela oder Abraham Lincoln. Ähnlich bizarr anmutende Treueschwüre nimmt Blatter auch bei anderen Mitgliedern entgegen. Als Gegenleistung schiebt er jedem Verband rund eine Viertelmillion Dollar zu.

Dass die Lobhudeleien beim "Vater des Fußballs" Spuren hinterlassen, beweist Blatter mit Einlassungen, die Größenwahn vermuten lassen. So feierte er seine Fifa mit "1,6 Milliarden Menschen" als "größte Familie der Welt. Die Fifa ist durch die positiven Emotionen, die der Fußball auslöst, einflussreicher als jedes Land und jede Religion." Nüchterne Fußballexperten wie Ottmar Hitzfeld springen Blatter bei. Der frühere Meistercoach gibt zu, er würde für Blatter stimmen. Dieser habe "sensationelle wirtschaftliche Erfolge erzielt, und die Fifa ist in erster Linie ein Unternehmen". Tatsächlich: Blatter formte als Generalsekretär und dann als Präsident aus dem gemütlichen Altherrenklub einen gefürchteten Weltkonzern. Die Fifa, die als normaler Verein in Zürich eingetragen ist, entscheidet über die Vergabe der Weltmeisterschaften, kontrolliert den Werbemarkt, die Fernsehrechte. Vorgänger João Havelange bemerkte zu Blatter, halb bewundernd, halb schockiert: "Sepp, du hast ein Monster geschaffen."

Blatter demonstriert seinen Erfolg hoch über Zürich: Dort, an der Fifa-Straße 20, residiert der Weltverband in einer futuristischen Trutzburg aus Glas, Metall, Beton und Marmor. 400 Menschen aus 40 Ländern mehren Einfluss und Vermögen, arbeiten ergeben für den Chef. Dieser thront in dem "Home of Fifa" ganz oben, in einem weitläufigen Büro, lässt sich seine Dienste mit rund einer Million Euro pro Jahr vergüten. Und gibt seine Kommandos in sechs Sprachen. Unten in dem Protzbau ließ der Patriarch eine Kapelle einrichten - für alle großen Religionen seines Fußballreiches. "Es ist wichtig, dass es in einem Gebäude mit dieser Größenordnung einen Ort gibt, wo man sich zurückziehen kann", sagt der bekennende Katholik.

Wenn Blatter in diesen Tagen in seinem Andachtsraum mit sich selbst Zwiesprache hält, dürften sich seine Gedanken auch um seine Geschäftspraktiken drehen. Es sind Methoden, die Kritiker und Journalisten in die Nähe der Unterwelt rücken. Pünktlich zu seiner fest eingeplanten Wiederwahl sorgte die ARD mit einem TV-Stück für Empörung in der "Familie". Titel: "Der verkaufte Fußball. Sepp Blatter und die Macht der Fifa". Die Autoren deckten Schmiergeldzahlungen an Katar und Russland auf, berichteten über Bestechungen im Zusammenhang mit der Inthronisierung Blatters und sonstige schmutzige Geschäfte. Der Schweizer überstand aber bisher alle Enthüllungen der Medien und auch staatsanwaltliche Ermittlungen. Selbstredend brachten interne Untersuchungen gegen ihn nichts ans Tageslicht. Details über mögliche Gaunereien tut Blatter als "ekelhafte Erklärung" ab, Schmiergelder verharmlost er als "Provisionszahlungen". Politikern, die eine Verlegung der WM 2018 aus Russland fordern, blafft er an: Wer mit der Wahl des Putin-Reiches nicht glücklich sei, der "soll zu Hause bleiben".

Frühgeburt

Das Harte, das Kalte im Charakter des dreimal Geschiedenen bildete sich schon früh heraus. Blatter kam am 10. März 1936 in Visp im deutschsprachigen Oberwallis zur Welt, nach nur sieben Monaten Schwangerschaft seiner Mutter Bertha. Damals gab es keine Stationen für Frühgeborene, der Säugling aus einfachen Verhältnissen musste kämpfen, "um zu überleben". Die Entbehrungen in der schroffen Alpenwelt schärften seinen Willen. Er schloss ein Studium der Volkswirtschaftslehre ab, stürzte sich als Mittelstürmer ins Getümmel, schaffte es bis die höchste Schweizer Amateurliga und brachte es auf 1400 Diensttage als Kommandant eines Versorgungsregimentes.

Schließlich heuerte er 1975 bei der Fifa an. Nach vierzig Jahren soll nun die Ära Blatter in die Verlängerung gehen. "Jetzt müssen wir zuerst schauen, dass ich am 29. Mai gewählt werde, und sollte das der Fall sein, dann habe ich vier Jahre Zeit, einen Nachfolger aufzubauen", sagt Blatter. (Jan Dirk Herbermann, 25.5. 2015)