Stolz auf den Austragungsort Wien ...

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... den ORF und die Inszenierung.

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Stefan Petzner, Song-Contest-Kenner.

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Ein User auf Twitter hat ganz genau gezählt: Gleich an die 20 Fotos von Conchita Wurst hat er in der Ausgabe der "Kronen Zeitung" vom vergangenen Sonntag gefunden. Und es ist nicht nur die "Kronen Zeitung", die eine richtiggehende Song-Contest-Influenza gepackt hat, sämtliche Medien des Landes scheinen in ihrer Berichterstattung von einer Art Eurovision-Virus befallen. Dem pompösen Gesangsspektakel irgendwie entrinnen? In diesen Tagen also unmöglich! Dem nicht genug, liegt die absolute Spitze der Fieberkurve in der Nacht von Samstag auf Sonntag noch vor uns und ist mit einem langsamen Abklingen der Song-Contest-Influenza erst im Laufe der kommenden Woche zu rechnen.

Kein Wunder also, dass Herr und Frau Österreicher mancherorts bereits heftig über massive Influenza-Symptome klagen: Bei den einen reichen schon ein paar Takte eines Song-Contest-Liedes, um für massive Ohrenschmerzen und Schüttelfrost zu sorgen. Bei anderen wiederum lösen schon wenige Minuten vor dem Fernseher Übelkeit bis hin zum Erbrechen als direkte Folge der mitunter schrill-schrägen Bühnenperformances von so manchem Teilnehmerland aus. Und was das ganze Spektakel dann auch noch kostet! Allein der Gedanke daran führt bei nicht wenigen ORF-Gebührenzahlern zu heftigen Kopfschmerzen und treibt einem den Schweiß auf die Stirn. Ihnen allen ist folgender Beitrag gewidmet und sei mit diesen Worten etwas Trost gespendet: Es hätte viel schlimmer kommen können!

Das Eurovision-Horrorszenario

Stellen Sie sich zum Beispiel nur einmal vor, die Song-Contest-Influenza würde in einem Jahr erneut und mit voller Wucht über Österreich hereinbrechen. Und im Jahr darauf schon wieder! Wenn Sie nun noch nicht hyperventiliert haben, sondern im Vertrauen auf das Nichteintreten des schlicht Unmöglichen nur ungläubig den Kopf schütteln, dann werden Sie spätestens damit niedergestreckt: Irland ist genau das passiert!

Irland hat den Eurovision Song Contest gleich dreimal in Serie gewonnen (1992, 1993, 1994), was – die Regeln sehen es so vor – auch bedeutete, dass Irland dreimal hintereinander den Song Contest austrug. Die irische Rundfunkanstalt musste also auch dreimal en suite tief in die Tasche greifen, um den größten TV-Event der Welt zu produzieren und zu finanzieren. Aus Rücksicht auf Ihre Gesundheit sei Ihnen versichert: Die Wahrscheinlichkeit, dass Österreich dasselbe widerfährt, geht gegen null. Unser heuriger Beitrag von The Makemakes muss schon froh sein, überhaupt eine Platzierung in den Top Ten zu schaffen. Sehen Sie, es hätte viel schlimmer kommen können! An der Stelle auch gleich mein unvermeidlicher Siegertipp für den Song Contest 2015: Russland, Belgien oder Italien.

Unter dem Song-Contest-Regenbogen

Es hätte auch viel schlimmer kommen können, was die Performance Wiens als Austragungsort und den ORF als produzierende Fernsehanstalt betrifft. Nicht wenige haben sich ja schon lange im Vorfeld Sorgen darüber gemacht, ob der gesellschaftspolitisch sehr weit gespannte Regenbogen des Song Contests nicht zu groß ist für das oft so kleinkariert-konservative und mieselsüchtige Österreich und ob der ORF seiner Aufgabe gewachsen sein wird, den größten TV-Event der Welt auch entsprechend zu inszenieren.

Verdammt gutes Fernsehen für unsere Gebührengelder

"Wer den ORF kennt, der weiß, dass er die Ressourcen und die Kreativität hat, einen perfekt inszenierten TV-Event abzuliefern", habe ich dazu vor einem Jahr in einem Kommentar der anderen für den STANDARD geschrieben. Ich sollte recht behalten: Selbst die größten Küniglberg-Kritiker sind sich einig: Was der ORF da an Bühne, Technik, Licht und Visual Effects in die Wiener Stadthalle gezaubert hat, ist schlichtweg grandios gemachtes Fernsehen.

Eben, es hätte viel schlimmer kommen können, liebe Gebührenzahler, und der ORF eine Pleiten-, Pech- und Pannen-Show um teures Geld abliefern. So aber bekommen wir für unsere Gebührengelder verdammt gutes Fernsehen geboten und zeigen über 200 Millionen Zuseherinnen und Zusehern weltweit, welche Stückln unser rot-weiß-roter öffentlich-rechtlicher Rundfunk spielen kann, wenn er nur muss. Darauf darf man auch einmal stolz sein und ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz und seinem Team gratulieren, von Kurt Pongratz, der mit dem Song Contest aus Wien zeigt, welch wahrer Meister der TV-Regie von internationalem Format er ist, bis hin zu Thomas Prantner, der für das vielgelobte Online-Angebot der ORFler zum Event verantwortlich ist.

Conchita und die "Todeskante"

Stolz darf man aber auch auf Wien sein, das sich als Austragungsort von seiner besten Seite zeigt und als weltoffene, moderne, tolerante und sympathische Stadt präsentiert. Als ich mich beim ersten Semifinale vor Ort bei Besuchern aus ganz Europa umgehört habe, wie es ihnen denn hier bei uns in Wien gefällt, war die Reaktion immer dieselbe: Begeisterung.

Es sind neben der perfekten Organisation und Logistik vor allem die kleinen Dinge, die das Besondere und den Charme ausmachen. Das reicht von Conchita Wurst, die einen als U-Bahn-Stimme schon beim Ankommen in der Station Burggasse-Stadthalle willkommen heißt, bis zu den Ampelpärchen, die einem helfen, die Straße sicher zu überqueren. Daher an die Adresse aller, die sich genau darüber fürchterlich mokieren: Es hätte viel schlimmer kommen können und Conchita Wurst sich etwa ein Haxerl beim Stolpern über die längst berühmt-berüchtigte "Todeskante" in der neuen Mahü-Fußgängerzone brechen! Oder, noch schlimmer, die für den Song Contest extra aufgepeppte Klimaanlage in der Stadthalle wäre ausgefallen und hätte den Ort des Geschehens in eine dampfende Herrensauna verwandelt! So aber gibt es weltweit positive Schlagzeilen über Wien und unser Land – unbezahlbare Imagewerbung für das Tourismusland Österreich!

Die Song-Contest-Influenza geht vorüber

Und wer sich nun noch immer nicht besänftigen lässt, dem sei versichert: Auch die Song-Contest-Influenza wird vorübergehen. Bis dahin heißt es eben durchhalten und im Fall des Falles als wirksamstes Gegenmittel ein absolutes Konsumationsverbot von Fernsehen, Radio, Internet und Zeitungen anwenden! (Stefan Petzner, 22.5.2015)