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Eine 80-Stunden-Woche macht noch keinen Workaholic – in den USA fand eine Ökonomin heraus, dass viele Angestellte das hohe Pensum umgehen und blaumachen. Das Geforderte wird dennoch erledigt. Zeit für mehr Flexibilität?

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Die 80-Stunden-Woche - ein für viele schwer vorstellbarer Lifestyle, der mit Leben eigentlich nicht mehr so viel zu tun hat. Man denkt an Ärzte, Anwälte, Trader oder an große Consultingfirmen.

In einer solchen hat die Wirtschaftsprofessorin Erin Reid nun 100 Leute zu ihren Arbeitszeiten interviewt und unter anderem herausgefunden: die 80-Stunden-Woche ist oft nur ein Mythos.

Das Phänomen beschreibt Reid aber nicht als Blaumachen oder Schwänzen, sondern als "passing" - vorbeikommen oder überholen. Denn obwohl die "passers" nicht die volle Arbeitszeit über im Büro saßen, erledigten sie die geforderten Aufgaben, auch die Arbeitszeugnisse fielen positiv aus.

Obwohl Reid nur in einem Unternehmen forschte, meldeten sich nach Publikation der Ergebnisse mehrere HR-Verantwortliche in US-Medien, die das Problem kennen. Aber: "Don't hate the player - hate the game", sagt Joe McCune, Professor für Human Ressources zum Wirtschaftsmagazin Bloomberg Business. "Das sind Leute, die einen Weg gefunden haben, ein System auszutricksen, dass man austricksen sollte." Die gearbeiteten Stunden würden nicht unbedingt etwas über die erbrachte Leistung aussagen.

Männer schummeln öfter

Nach den Gesprächen identifizierte Reid drei Typen im Unternehmen: jene, die tatsächlich auch die Wochenenden durcharbeiten und ihr Stundenpensum erfüllen. Als zweite Gruppe jene, denen die geforderte Stundenanzahl zu viel wurde und die um flexiblere Arbeitszeiten anfragten, dafür aber schlechte Zeugnisse ernteten. Zu guter Letzt diejenigen, die die Vorteile flexibler Arbeitszeit nutzen konnten, ohne darum zu bitten.

Auffallend war für Reid außerdem, dass diese Gruppe großteils männlich ist: Bei den Frauen sind es nur elf Prozent, die die 80-Stunden-Woche irgendwie umgehen, bei den Männern hingegen 31 Prozent. Für das Funktionieren der Mogelpackung außerdem zentral: Zusammenhalt. In einem Team mit mehreren Eltern junger Kinder gaben die Mitarbeiter an, füreinander einzuspringen, sodass alle zu flexibleren Arbeitszeiten kamen. Die Maxime: Frage nicht um Erlaubnis, sondern um Nachsehen.

Das Schummeln war dann aber gar nicht der Aufreger in den US-Medien, sondern was dahintersteckt. Das wahre Problem sei nicht, dass Männer mit mehr Hingabe tricksen als Frauen. "Vielleicht belohnen zu viele Unternehmen einfach die falschen Dinge und stellen damit außergewöhnliche Anstrengung über eigentliche Produktivität", heißt es in den New York Times.

Wie die Zukunft der Arbeitszeit aussehen könnte, zeigen Unternehmen wie Google, Twitter oder LinkedIn: Sie verwenden das OKR-Modell (Objectives and Key Results) zur Bewertung der Mitarbeiter, das Leistung vor Zeitaufwand stellt. Während bei diesen hippen Unternehmen flexible Arbeitszeit zur Philosophie gehört, wünschen sich auch Mitarbeiter traditioneller Branchen mehr Flexibilität - 43 Prozent würden dies einer Gehaltserhöhung vorziehen, heißt es in Bloomberg Business.

Land der Überstunden

In Österreich gibt es keine vergleichbare Untersuchung oder Umfrage. Wolfgang Elsik, Institutsleiter für Personalmanagement an der WU Wien, sieht eine andere Besonderheit: Überstunden seien in Österreich weit verbreitet und somit eine stille Gehaltserhöhung. Stelle man die Frage Leistungslohn versus Zeitlohn, dann klinge das so, als würde es bei der Arbeit nach Zeit nie um eine Leistung gehen, da müsse man aufpassen.

Dennoch ist er sich sicher, "dass es bei uns auch so abläuft wie in der US-Untersuchung." Das liege aber an den für die Branche typischen All-in-Verträgen. (Lara Hagen, 27.5.2015)