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Zu oft: Vor allem nachts stört Harndrang die Nachtruhe. Medikamentös lässt sich eine überaktive Blase vorübergehend stilllegen.

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Etwa eine Million Menschen in Österreich leiden an Harninkontinenz. Trotzdem ist das Volksleiden ein Tabuthema. Seit rund zwei Jahren gibt es bei "überaktiver Blase" ein neues Therapieprinzip. Frei verschreibbar ist es in Österreich nicht, sagte der Wiener Gynäkologe Heinz Kölbl.

"Wenn man heute eine telefonische Umfrage in Österreich macht, hat jede fünfte Frau ein Problem mit der Kontinenz. Jede dritte Frau hat im Laufe des Lebens ein Problem mit der Blase. (...) Drei Viertel der von Harninkontinenz Betroffenen sind Frauen. Die Hälfte der Menschen in Pflegeheimen sind inkontinent", stellte Kölbl, Leiter der Klinischen Abteilung für Allgemeine Gynäkologie und Gynäkologische Onkologie im Wiener AKH (Med-Uni Wien), die Ausgangssituation dar.

Eine häufige Form der Harninkontinenz ist die "überaktive Blase" (Reizblase). Vor allem durch altersbedingte Veränderungen in den Steuerungsmechanismen (Gehirn) und im Urogenitalbereich (Hormonmangel, gutartige Prostatavergrößerung etc.) entsteht ständiger Harndrang.

Gestörte Nachtruhe

Die Folge sind massive Kontinenzprobleme am Tag und gestörte Nachtruhe durch Nykturie. Das alles hat auch negative soziale Folgen. Die Therapiebandbreite reicht von Beckenbodentraining über Biofeedback-Verfahren und Elektrostimulation zu verschiedenen Medikamenten und schließlich bis zu chirurgischen Verfahren und Botulinum-Injektionen.

Bei den Arzneimitteln am häufigsten verwendet werden sogenannte Anticholinergika. "Anticholinergika wirken aber nicht nur auf die Blase, sondern auch auf andere Organe. So kommt es zur Mundtrockenheit. Bis auf eine Ausnahme führen sie zur Beeinträchtigung der Merkfähigkeit und der kognitiven Leistungsfähigkeit", sagte Kölbl. Das ist gerade bei mehrfachkranken Senioren keinesfalls positiv. "Nach drei Monaten setzen bereits die meisten Patienten diese Medikamente ab."

Seit rund zwei Jahren gibt es mit einem sogenannten Beta-3-Agonisten (Mirabegron) ein Arzneimittel mit einem anderen Wirkprinzip. Kölbl: "Es wirkt wie die Anticholinergika, aber ohne Mundtrockenheit. In Österreich wird aber die generelle Erstattung (Verschreibbarkeit durch den Arzt ohne Chefarztbewilligung; Anm.) durch die Krankenkassen verweigert. Das stößt auf Unverständnis von meiner Person. Man muss irgendwann den Mund aufmachen und die Dinge beim Namen nennen."

Internationaler Vergleich

In Staaten wie den USA, Kanada und vergleichbaren europäischen Ländern wird das Arzneimittel längst breit verwendet. Das britische Begutachtungskomitee NICE, generell eher restriktiv bei der positiven Begutachtung neuer Arzneimittel, hätte das Präparat mit der Note "1" versehen, wenn eine Anticholinergika-Behandlung versagt hat, berichtete der Gynäkologe.

Wahrscheinlich würden zumindest rund 35 Prozent der Betroffenen mit "überaktiver Blase" von der neuen Therapie profitieren. Kölbl betonte, dass die Kosten nicht wesentlich höher als jene anderer Präparate in diesem Anwendungsgebiet seien. (APA, 21.5.2015)