Duette, die einander anschauen, sind seit den Common Linnets state of the Eurovision art. In diesem Fall die Topfavoriten aus Norwegen.

Foto: ebu/Thomas Hanses

Malta mit LED-Flammen, die frappant an Conchita 2014 erinnern.

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Slowenien kam als Favorit und setzt auf der Bühne mau um. Trotz Kopfhörer und Luftvioline.

Foto: ebu/Thomas Hanses

Schweden ist jedes Jahr Favorit, 2015 ist das nicht anders.

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Obwohl es das wesentlich stärkere der beiden Semifinali ist, behaupte ich zu wissen, welche acht Acts auf jeden Fall weiterkommen, und zwar Schweden, Norwegen, Aserbaidschan, Israel, Slowenien, Lettland, Zypern und Montenegro. Bleiben zwei freie Slots, um die sich die anderen neun Länder bemühen müssen, um das Finale am Samstag zu erreichen.

1. Litauen: Monika Linkytė und Vaidas Baumila – This Time

Happy Sound zu Beginn einer Show ist immer gut, um ein bisschen in Stimmung zu kommen. Das litauische Duo lächelt, tanzt, tätschelt und küsst sich in die Show, das Lied bleibt aber zu harmlos, um zu überzeugen. Aber entzückend, wie sie einander fortwährend anschauen.

Chancen fürs Finale: Zitterpartie

2. Irland: Molly Sterling – Playing With Numbers

Die Formel "Singen am Klavier" bleibt nicht Udo Jürgens und den Makemakes vorbehalten, auch Molly macht das, aber leider mit einem sehr einschläfernden Song. Irland hat uns mit vielen Siegen verwöhnt, aber in den letzten Jahren wollen sie irgendwie nicht so recht Anschluss finden. Auch 2015 nicht.

Chancen fürs Finale: raus

3. San Marino: Anita Simoncini und Michele Persniola – Chain of Lights

Wie viele Beiträge Ralph Siegel in seiner Karriere schon eingesandt hat, kann man ohnehin in jeder Zeitung lesen. Weniger bekannt vielleicht, dass sein Vater diese Tradition eröffnete. Ralph Maria Siegel schrieb den deutschen Beitrag 1958. Der Song 2015 ist ziemlich übel. Mein Rat an die kleine Republik: Holt euch doch mal einen anderen Komponisten.

Chancen fürs Finale: raus

4. Montenegro: Knez – Adio

Željko Joksimović ist fast schon so eine Eurovisionslegende wie Siegel und ein Meister der dramatischen und sich ununterbrochen steigernden Balkan-Ballade. Deswegen wird er in seiner Heimat Serbien auch oft nur "Lane" genannt, angelehnt an seinen Beitrag aus dem Jahr 2004. Was wäre der Song Contest ohne sie? Wer so was mag, wird auf seine Kosten kommen. Ich zum Beispiel bin so einer. Solider Balkanpop.

Chancen fürs Finale: weiter

5. Malta: Amber – Warrior

Nach Georgien am Dienstag bekommen wir noch eine "Warrior"-Frau, allerdings musikalisch eine deutlich schwächere. Es gibt immer noch ein paar Länder, die schon so lange mitmachen, aber noch nie gewinnen konnten. Das wird sich für Malta 2015 garantiert nicht ändern, zu bemüht der Beitrag.

Chancen fürs Finale: raus

6. Norwegen: Mørland und Debrah Scarlett – A Monster Like Me

Die ersten Favoriten des Abends (und auch für den Samstag). Zwar gibt es sehr viele Balladen im 2015er-Contest, aber die norwegische ist wohl die berührendste und gleichzeitig die düsterste. Das Paket ist mit den guten Lyrics, der Melodie und den Stimmen einfach rundum stimmig. Dass sich ein Duo gegenseitig anschaut, ist seit den Common Linnets 2014 state of the art.

Chancen fürs Finale: weiter

7. Portugal: Leonor Andrade – Há um mar que nos separa

Eine Loreen-Frisur ist keine Garantie für einen gelungenen Beitrag. Portugal macht nun schon seit 1964 mit, konnte noch nie gewinnen und sich selten für das Finale qualifizieren. Man würde meinen, der portugiesische Sender würde mal seine Vorausscheidung überarbeiten. Das blieb aber aus, also wird wohl auch 2015 im Halbfinale Schluss sein.

Chancen fürs Finale: raus

8. Tschechische Republik: Marta Jandová und Václav Noid Bárta – Hope Never Dies

Kuschelrock nannte man so was einmal. Die Stimmen sind enorm stark, vor allem Václav mit seiner Rockröhre. Inszeniert wurde das tschechische Duo sehr schlicht, was in diesem Fall auch passt. Unsere Nachbarn im Norden sind dem Song Contest gegenüber noch immer sehr reserviert und konnten sich bei wenigen Teilnahmen nie fürs Finale qualifizieren. Das wird sich 2015 hoffentlich endlich ändern.

Chancen fürs Finale: knapp weiter

9. Israel: Nadav Guedj – Golden Boy

Sollte Israel dieses Jahr wieder im Halbfinale stecken bleiben, verstehe ich die Welt nicht mehr. Nach all den Balladen in den Jahren vorher ist man für den Partyknaller, der in den Nachtstunden Wiens für die meiste Stimmung sorgte, regelrecht dankbar. Nadav ist ohnehin einer der beliebtesten und sympathischsten Teilnehmer. Das muss einfach ins Finale!

Chancen fürs Finale: weiter

10. Lettland: Aminata – Love Injected

Lettland schickt schwerere Kost, aber sehr beeindruckende Töne nach Wien. Aminata überzeugt mit einer sehr starken Bühnenpräsenz, der Song ist außergewöhnlich und daher eher schwer einzuschätzen. Bei den Fans ist der Beitrag sehr beliebt. Könnte auch auf FM4 gespielt werden.

Chancen fürs Finale: weiter

11. Aserbaidschan: Elnur Hüseynov – Hour of the Wolf

Elnur durfte 2007 beim aserbaidschanischen Song-Contest-Debüt bereits mitmachen, damals noch als Duo. Das Land landet (mit Ausnahme von 2014) immer weit vorne, so wird das auch 2015 sein. Sehr starke Ballade, die genau das ist, was die Eurovision auch immer ausmacht: Was ist ein gemeinsamer Nenner? Das ist schon ziemlich nahe dran.

Chancen fürs Finale: weiter

12. Island: María Ólafs – Unbroken

Dieses Semifinale ist das der Länder, die schon ewig mitmachen, aber nie gewinnen konnten. Hier gleich das nächste Beispiel. Obwohl Island mit der Einwohnerzahl von Graz und Umgebung sehr viele internationale Musik-Acts exportieren konnte, wollte das mit dem Sieg nie klappen. Das wird es allerdings auch 2015 nicht. Ein Weiterkommen ist wenn, dann knapp möglich.

Chancen fürs Finale: eher knapp weiter

13. Schweden: Måns Zelemerlöw – Heroes

Seit alle Songs für diese Ausgabe bekannt sind, gehen ja alle von einem Dreikampf zwischen Australien, Italien und Schweden aus. Schweden ist eh jedes Jahr Favorit. Schweden-Pop und seine Komponistenindustrie sind ja auch einzigartig. "Heroes" ist ein gutes Beispiel dafür. Falsch bewegen darf sich Måns aber nicht, sonst ist die Choreografie kaputt, aber gut ist diese schon. Die Schweden schaffen es immer wieder, eine Bühnenperformance wie ein Musik-Videoclip aussehen zu lassen. Ein Erfolgsrezept seit Loreen.

Chancen fürs Finale: eine Bank

14. Schweiz: Mélanie René – Time to Shine

Der Schweizer Beitrag notiert nahezu überall eher am unteren Ende der Prognosenlisten. Dabei ist das gar nicht so schlecht. Zudem klingt der Song sehr osteuropäisch, was vielleicht ja gewisse Chancen eröffnet. Singen kann sie jedenfalls sehr gut, der Song bleibt aber mau.

Chancen fürs Finale: Zitterpartie für unsere Nachbarn

15. Zypern: Giannis Karagiannis – One Thing I Should Have Done

Hach, diesen Song finde ich einfach so süß. Meiner Meinung noch unterbewertet, denn solche akustischen Gitarrenstückchen kommen immer ins Finale. Ganz ruhig steht der Brillenträger auf der Bühne, so als ob er gerade mal kurz Pause von seinem Job in einer Werbeagentur machen würde, trägt seinen Song unprätentiös vor, und das war's auch schon. Und das macht er ganz wunderbar.

Chancen fürs Finale: weiter

16. Slowenien: Maraaya – Here For You

Vor den Proben habe ich diesen Song als Siegfavoriten bezeichnet. Und dann kamen die Proben. Man sah das Kleid, die Inszenierung, die erste Luftvioline beim Song Contest, und schon bin ich verunsichert. Auffällig, dass die Slowenen komplett auf die LED-Wand verzichten und nur mit Licht arbeiten. Die Performance schafft es leider nicht, zu überzeugen. Der Song ist sicher einer der hitverdächtigsten und zeitgemäßesten 2015. Ob sie doch noch oben mitmischen können? Ich würde es ihnen ja gönnen.

Chancen fürs Finale: weiter, aber leider doch nicht der Topfavorit wie erwartet.

17. Polen: Monika Kuszyńska – In the Name of Love

Die Butterstampferinnen von 2014 sind heute noch Gesprächsthema. Doch 2015 schickt Polen eine andere Botschaft: eine Sängerin im Rollstuhl. Der Rollstuhl wird auch sehr deutlich inszeniert, ja, geradezu drapiert. Aber wie wir beim finnischen Beitrag schon sahen: Das Lied muss das Publikum – trotz Botschaft – dann doch überzeugen. Das polnische Lied ist aber leider schon recht langweilig.

Chancen fürs Finale: eher raus. (Marco Schreuder, 21.5.2015)