Straßburg – Der ungarische Regierungschef Viktor Orbán hat seine umstrittenen Aussagen über die Todesstrafe und über ein Referendum bezüglich Migration und Terrorismus verteidigt. Bei einer Debatte im EU-Parlament in Straßburg am Dienstag wandte sich Orbán dagegen, nicht über die Todesstrafe sprechen zu dürfen.

"Wer uns vorschreiben will, worüber wir in Ungarn sprechen dürfen, verletzt den Gründungsvertrag der EU", sagte Orbán und spielte den Ball an den Vizepräsidenten der EU-Kommission, Frans Timmermans, zurück. Timmermans hatte zuvor erklärt, bei einer Wiedereinführung der Todesstrafe würde ein EU-Land einen weitreichenden Sanktionsmechanismus nach Artikel 7 des EU-Vertrags erhalten. Dabei werde er, Timmermans, "keine Sekunde zögern".

"Keine Vogel-Strauß-Politik"

Orbán zeigte sich davon überhaupt nicht beeindruckt. "Ungarn hat niemals ein Abkommen unterzeichnet, wo drinstehen würde, worüber man bei uns sprechen darf und worüber nicht. Dem würden wir auch nicht zustimmen. Wir lassen uns auch nicht in Fragen der Volksbefragung Beschränkungen unterwerfen. So eine Liste gibt es nicht. Es gibt einen Beitrittsvertrag der Ungarn zur EU, da steht nichts darüber, worüber wir in Ungarn sprechen dürfen oder nicht". Wer immer dies den Ungarn vorschreiben wolle, "verletzt die Gründungsverträge der EU".

Bei der Todesstrafe "können wir nicht eine Vogel-Strauß-Politik betreiben", meinte Orbán. Es gehe um "Meinungsfreiheit und Gedankenfreiheit". Er denke, man sollte über das Thema Todesstrafe sprechen können. Aber "alles, was beschlossen wird, muss der Verfassung Europas und Ungarns entsprechen. Es ist nicht alles in Stein gemeißelt. Es sind keine göttlichen Gebote enthalten, sondern die Verträge sind von Menschen beschlossen und können geändert werden. Das ist Freiheit und Demokratie."

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Migration: Kontinent der Europäer

Der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz, replizierte, dass es "ganz sicher nicht um göttliche Gebote" gehe. "Aber ich kenne eines, das heißt, Du sollst nicht töten", betonte Schulz.

Orbán merkte an, dass "die Ungarn deutlich und klar sagen, worum es geht. Wir schleichen nicht wie die Katze um den heißen Brei. Wir sagen Todesstrafe ist Todesstrafe, Einwanderung und Zuwanderung ist Migration. Das ist eine Deutlichkeit, die bei uns im Land herrscht." Europa soll der Kontinent der Europäer bleiben, "die Ungarn sollen das Land der Ungarn bleiben".

"Was von Kommission kommt, grenzt an Wahnsinn"

Orbán trat auch neuerlich für eine Grundsatzdebatte über Zuwanderung ein und kritisierte die jüngsten Vorschläge der EU-Kommission. "Was da von der Kommission kommt, das grenzt an Wahnsinn." Migration sei die große Herausforderung. Seit 2010 habe die Zahl der Migranten in Europa um das Dreifache zugenommen, kurzfristig sogar um das 20-Fache. "Wir müssen das Recht haben, unsere eigenen Grenzen zu schützen. Ich finde es irrsinnig, Vorschläge zu machen, dass alle Migranten nach Europa kommen sollen."

Die Quotenverteilung lehnte Orbán entschieden ab. "Künstliche Quoten festzusetzen ist nur ein Anreiz für Schlepper. Wir Ungarn müssen entscheiden, ob wir Migranten wollen oder nicht." Asylsuchende seien in Ungarn willkommen, aber nicht Wirtschaftsflüchtlinge. (APA, 19.5.2015)