Mit der einleitenden Keynote hat Google am Donnerstagabend (MESZ) die Google I/O 2015 eröffnet. Wie schon in den letzten Jahren war der Andrang zur zentralen Konferenz des Google-Jahres enorm. Nur ein Bruchteil der Interessierten konnte eine der 6.000 Eintrittskarten erheischen. Und so konnte Googles Produktchef Sundar Pichai nach einer halbstündigen, reichlich nerdigen Pre-Keynote-Show vor vollem Haus – und zwei Millionen Menschen im Livestream – erläutern, an welchen Neuerungen das Unternehmen gerade arbeitet.

Zum Aufwärmen gab es ein Spiel Pong – übertragen auf einem fast den gesamten Raum umfassenden Bildschirm.
Foto: Google

Pichai betonte dabei zunächst, dass Google immer schon ein globales Unternehmen gewesen sei und das Erreichen anderer Teile des Planeten eine zentrale Aufgabe der eigenen Bestebungen darstelle. Aus dieser Überzeugung habe man mit Chrome und Android zwei freie Plattformen geschaffen, die jeweils mehr als eine Milliarde Nutzer erreichen. Mittlerweile würden acht von zehn Smartphones mit Android laufen. Auch im TV-Bereich habe man deutliche Fortschritte gemacht, dazu passend soll in Kürze auch HBO Now für Android verfügbar sein.

Android M

Googles Produktchef Sundar Pichai führt durch das Programm.
Foto: Google

Dass Google im Rahmen der I/O eine neue Android-Generation vorstellen will, hatte Android-Entwicklungschef Hiroshi Lockheimer bereits kurz vor der Konferenz ausgeplaudert. Nun macht es das Unternehmen aber offiziell: Mit Android M arbeitet man derzeit am Lollipop-Nachfolger. Dieser soll sich nach dem großen Umbruch mit Android 5.0 ganz auf konkrete Qualitätsverbesserungen und Feinschliff konzentrieren, so Googles Dave Burke.

Berechtigungen

Dabei setzt Google eine langgehegte Forderung vieler User um: Endlich gibt es die Möglichkeit, Apps den Zugriff auf einzelne Berechtigungen zu verweigern oder auch nachträglich zu entziehen. Das Ganze erinnert in der Umsetzung stark an die App Ops, die in Android 4.3 – wie Google nachträglich betonte: versehentlich – enthalten war.

Bessere Intents

Eine weitere Neuerung in Android M: Es gibt ein besseres Intent-System, damit Apps festlegen können, auf welchem Weg ein Link optimal geöffnet wird. Damit sollen viele Dialoge, die bisher beim Anklicken eines Links dargestellt werden, unnötig werden.

Android Pay

Mit Google Wallet betreibt der Softwarehersteller bereits einen eigenen Bezahlservice, mit Android Pay kommt nun ein zweiter hinzu: Dieser soll zentrale Bezahlschnittstellen für App-Hersteller bieten, sodass dann etwa Händler Bezahlvorgänge in ihren Apps einfach implementieren können. Das Ganze soll auch mit Vorteilskarten verschränkt werden können.

Android M.
Foto: Google

Zudem habe dieser Ansatz auch Privacy-Vorteile, da die reale Kreditkartennummer nie weitergegeben werde. Zum Start geht Google dafür eine Fülle von Partnerschaften ein – vorerst einmal nur in den USA, dort aber immerhin zum Start in 700.000 Geschäften.

Fingerprint

An sich arbeitet Android Pay auch mit Android-4.4+-Geräten. In Android M gibt es aber eine neue Form der Authentifizierung: mittels Fingerabdrucks. Geräte mit Fingerprint-Reader gibt es in der Android-Welt mittlerweile einige, jetzt reicht Google die offizielle Unterstützung für diese Form der Autorisierung in Android nach. Damit gibt es nun endlich eine einheitliche Lösung für alle Hersteller. Auf der technischen Seite verwendet Google einmal mehr NFC und Host Card Emulation.

Doze

Was viele Nutzer freuen wird: Mit Doze gibt es ein neues Feature, das mittels der Bewegungssensoren feststellt, ob ein Gerät gerade in Benutzung ist. Daraus soll eine deutlich bessere Akkulaufzeit resultieren. Am Nexus 9 verdopple sich in der Folge bei Android M die Standby-Zeit, verspricht der Hersteller.

Mit den Chrome Custom Tabs können Entwickler künftig statt eines traditionellen Webviews einen ganzen Chrome-Tab in ihre Apps integrieren. Samt der Nutzung von Sign-in-Informationen, Autofill und dem Multi-Prozess-Modell.

USB C

Wie schon bei der Vorstellung des neuen Chromebook Pixel angedeutet, setzt Google ganz auf USB C. So wird die neue Schnittstelle in Android M genutzt, um neue Funktionen zu ermöglichen. Künftig können etwa auf Wunsch externe Geräte mit dem eigenen Smartphone oder Tablet aufgeladen werden. Auch die vielkritisierten Lautstärkeeinstellungen werden mit M wieder erweitert.

Preview

Vom Stand der Entwicklung sollen sich interessierte Nutzer schon bald selbst überzeugen können: Eine Developer Preview ist bereits verfügbar – und zwar gleich für Nexus 5, 6, 9 und den Nexus Player. Die fertige Version soll es dann im Verlauf des dritten Quartal geben – was übrigens früher wäre als sonst im Google-Jahr üblich.

Android Wear

Es folgte ein Update zu Android Wear und dabei zunächst einmal eine Übersicht der aktuellsten Release. Zudem kündigte man aber auch einige neue Apps an, darunter Foursquare oder Spotify und Uber. Diese gesellen sich zu den mittlerweile mehr als 4.000 Apps, die speziell für Android Wear entwickelt werden, so Google.

Viele Apps für Android Wear.
Foto: Google

Brillo

Vor vier Jahren startete Google mit Android@Home erstmals eine Initiative für das smarte Zuhause. Mit wenig Erfolg – die Initiative sollte schnell wieder in der Versenkung verschwinden. Nun versucht man mithilfe des vor einiger Zeit übernommenen Hardwareherstellers Nest ein weiteres Mal sein Glück: Mit Project Brillo stellt der Softwarehersteller eine eigene Variante seines Betriebssystems für das "Internet der Dinge" vor.

Technisches

Das Betriebssystem ist dabei zwar ein Android-Abkömmling, aber einer, der doch einige Unterschiede aufweist. So liegt der Fokus hier auf geringem Ressourcenverbrauch. Auf der Basis stellt man Weave als einheitliche Sprache für die Kommunikation zwischen den einzelnen Geräten vor.

Verfügbarkeit

Brillo soll im dritten Quartal als Developer Preview veröffentlicht werden. Weave soll wiederum im vierten Quartal erstmals in einer stabilen Ausgabe erhältlich sein.

Wissensorganisation

Eines der zentralen Ziele Googles sei es immer schon gewesen, das Wissen der Welt zu organisieren, betont Pichai. Also habe man massiv in Maschinenlernen investiert. Dadurch sei etwa Spracherkennung in den letzten Jahren rasant besser geworden.

Google Now

Informationen, die man künftig vermehrt nutzen will, um den Usern als Assistent zur Seite zu stehen – wie man es mit Google Now schon begonnen hat. Der nächste Schritt sei die Zusammenarbeit mit Partnern, damit diese Now selbst mit Informationen aus ihren Apps versorgen können.

Now on Tap.
Foto: Google

Now on Tap

Mit "Now on Tap" gibt es dabei ein Feature, das Funktionen von Android M nutzt, um Now auch direkt in Apps verfügbar zu machen. So kann man dann etwa im Musikplayer Informationen zu dem gerade abgespielten Lied oder dessen Künstler abfragen. Und in Mails lassen sich ebenfalls Knowledge-Graph-Informationen zum Inhalt erhalten, etwa wenn man wissen will, wie die Bewertungen für einen genannten Film sind. Das Beste daran: Now on Tap funktioniert in jeder App, ohne dass deren Entwickler sie anpassen müssen – solange sie von Google indiziert ist. Außerdem können auch im Web diese Funktionen genutzt werden, etwa indem auf ein Bild geklickt wird.

Google Photos

Auf der Google I/O 2015 kommt, was schon länger die Runde in der Gerüchteküche machte: Unter dem Namen Google Photos emanzipiert das Unternehmen seinen Fotoservice vom sozialen Netzwerk Google+. Damit gehen neue Apps sowie ein eigener Web-Client einher.

Ein Schwerpunkt ist auch hierbei die automatische Organisation der Daten, immerhin würden viele Nutzer mittlerweile von der Masse der Daten – und dem Aufwand, diese zu Durchforsten – erdrückt. In Google Photos werden also alle Bilder automatisch organisiert, unter anderem nach Ort und Personen.

Google Photos mit kostenlosem, unlimitiertem Speicherplatz.
Foto: Google

Mit dem Assistant gibt es zudem die nächste Ausbaustufe dessen, was bisher "Autoawesome" geheißen hat. Also die automatische Erstellung von animierten GIFs oder Highlight-Videos aus den eigenen Aufnahmen.

Unlimitierter Speicher

Google verspricht dabei "unlimitierten Speicher", Aufnahmen bis zu einer Größe von 16 Megapixel können nun kostenlos gespeichert werden, Videos bis zu 1.080p. Bisher war dieses Angebot auf Fotos mit einer maximalen Breite von 2.048 Pixel beschränkt.

Das Vorstellungsvideo zu Google Photos.
Google

Verfügbarkeit

Das neue Google Photos soll im Verlauf der nächsten Stunden für Android, iOS und das Web verfügbar sein.

Nächste Milliarde

Als wichtigen Teil der eigenen Bestrebungen sieht Google das Erreichen der nächsten Milliarde an Nutzern an. Das tut man einerseits mit Geräten wie Android One und kostengünstigen Chromebooks. Dabei müsse man aber auch etwas tun, um die schlechten Netzverbindungen zu umschiffen. So würde man mittlerweile Web-Inhalte auf solchen Geräten komprimieren, was den Daten- und Speicherverbrauch deutlich reduziert.

Zudem würden künftig viele der eigenen Services vollständig offline funktionieren – von Youtube über Google Maps ("später" dieses Jahr) bis zum Browser Chrome, der Seiten für die Offline-Nutzung cachen kann.

Entwicklung

Falls es schon jemand vergessen haben sollte: Die I/O ist eigentlich für Entwickler gedacht. Also folgten auch in dieser Hinsicht noch einige Ankündigungen. Mit Android Studio 1.3 gibt es eine neue Version der Entwicklungsumgebung. Künftig soll diese auch die Entwicklung in C/C++ unterstützen.

Cloud Test

Mit dem Cloud Test Lab kommt ein nützliches neues Feature für Android-Entwickler: Diese können ihre Apps hochladen und in der Cloud auf 20 unterschiedlichen Geräten testen lassen. Die Funtion soll "bald" zur Verfügung stehen.

Polymer

Bei einer der Neuvorstellungen hat man sich gleich gar keine Mühe gegeben, sie im Vorfeld geheim zu halten: Mit Polymer 1.0 gibt es nun die erste stabile Version von Googles Webentwicklungs-Bibliothek. Auf Basis der HTML Web Components soll hier nicht zuletzt die Entwicklung von Apps im Material Design vereinfacht werden – was Google mittlerweile auch für einige der eigenen Services nutzt. Und Googles Cloud Messaging kann künftig auch mit iOS genutzt werden – bisher war das Android und Chrome vorbehalten.

Google Play

Seit einigen Monaten gibt es eine eigene, kinderfreundliche Version von Youtube. Nun folgen entsprechende Optimierungen für Google Play. Dabei werden entsprechende Apps nun unter anderem extra ausgewiesen.

Für Android Nanodegree ist Google eine Partnerschaft mit Udacity eingegangen, es handelt sich dabei also um ein Bildungsprogramm für die Entwicklung rund um das Betriebssystem.

Virtual Reality

Was im vergangenen Jahr mit einem kleinen Stück Karton begann, soll heuer dem Status als Spielerei entwachsen: Nach zahlreichen anderen Herstellern will sich auch Google zunehmend an einer eigenen Virtual-Reality-Lösung versuchen. Und das mit mehreren Initiativen.

Zunächst gibt es ein Hardware-Update für Cardboard, das nun mit größeren Smartphones arbeiten soll. Wichtiger aber: Das Entwicklungskit arbeitet jetzt neben Android auch mit iOS zusammen, es werden künftig also auch iPhones unterstützt.

Expeditions

Mit den Expeditions richtet man sich an Schulen, um ganze Schulklassen gemeinsam auf virtuelle Touren zu schicken. Interessierte Lehrer sollen sich bald anmelden können, das Programm startet dann im Herbst.

Foto: Google

Jump

Zur virtuellen Realität gehört aber auch, diese zunächst zu erfassen. Mit Jump stellt man ein neues System vor, um entsprechende Aufnahmen zu erleichtern. Wie auch bei Cardboard wird das Design für alle öffentlich gemacht, damit Dritte dies selbst bauen können. Wer lieber zu einer fertigen Lösung greift: Für diesen Fall hat Google eine Partnerschaft mit Gopro im Gepäck, der Kamerahersteller will ein eigenes Jump-System veröffentlichen, bestehend aus 16 Kameras.

Der nächste Schritt: Ab Sommer soll dann Youtube Jump-Videos unterstützen, die sich mit einem Carboard-Viewer betrachten lassen.

Ende

Zum Abschluss ließ Google einige der eigenen langfristigen Projekte Revue passieren – von Project Loon bis zu den selbstfahrenden Autos. Was es hingegen nicht gab: große Geschenke für die Anwesenden. Gratis-Hardware wurde dieses Mal bis auf die neue Cardboard-Version also nicht verteilt. (Andreas Proschofsky aus San Francisco, 28.5.2015)

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